VVN-BdA: Wir alle kannten Sie als eine Frau von großer Entschiedenheit und geradezu unglaublichem Elan, die viele von uns noch bis vor kurzem auf der großen Bühne erleben durften. Zuletzt saß sie am 8. Mai auf unserer kleinen Bühne im Hamburger Gängeviertel und erzählte von ihrer Befreiung am 3. Mai 1945 durch Soldaten der Roten Armee und der US-Armee, die kurz nacheinander in der kleinen Stadt Lübz eintrafen. Dort hatte Esther mit einigen Freundinnen aus dem KZ Ravensbrück Unterschlupf gefunden, nachdem sie gemeinsam dem Todesmarsch entflohen waren.
Wenige Tage zuvor, am 3. Mai, den sie ihren zweiten Geburtstag nannte, hat Esther sich noch mit einer Video-Botschaft zum Tag der Befreiung an uns alle gewendet. Darin bezog sie noch einmal deutlich Stellung zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Stadt Hamburg und im ganzen Land. Obwohl sie dabei schon im Rollstuhl saß, waren ihre Worte klar und ihre Stimme kräftig:
https://www.auschwitz-komitee.de/5249/esther-bejarano-wir-sind-da-meine-befreiung-im-mai-1945-und-meine-hoffnungen/
Wir verdanken Esther viel; sie war immer da, wenn wir sie brauchten.
Nun ist die unermüdliche „Zeitzeugin“ gegen Vergessen des historischen und Verharmlosen des aktuellen Faschismus, Mahnerin und Kämpferin für Menschenrechte, Frieden und eine solidarische Gesellschaft von uns gegangen. Sie wird uns fehlen, vielen von uns auch als verlässliche Freundin.
Wir denken an sie in Dankbarkeit, Trauer und Liebe.
Nehmen wir ihre letzte öffentliche Botschaft als Vermächtnis und arbeiten wir weiter daran, dass der 8. Mai endlich auch in Deutschland ein Feiertag wird, so wie sie es in ihrer Rede am 3. Mai noch einmal vorgetragen hat:
„Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“
NDR – Große Trauer nach dem Tod von Esther Bejarano:
„Mit dem Tod von Esther Bejarano verliert Hamburg eine außergewöhnliche Bürgerin, die sich bis ins hohe Alter für das Gemeinwohl engagierte“, sagte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) laut einer Mitteilung.
Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) erklärte: „Hamburg und Deutschland haben einen ganz besonderen Menschen verloren. Darüber bin ich sehr traurig.“ Bejarano habe wie kaum jemand an die Gräuel der NS-Verbrechen erinnert und jahrzehntelang Menschen aller Altersgruppen für dieses Thema wachgerüttelt.
Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme schreibt: „Eine engagierte, eine wichtige und laute Stimme gegen rechts ist verstummt.“
NDR-TV:
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Grosse-Trauer-nach-dem-Tod-von-Esther-Bejarano,bejarano230.html
Hamburger Morgenpost, 10.7.2021: Die Akkordeonspielerin von Auschwitz: Esther Bejarano mit 96 gestorben
Es schien so, als würde dieser Frau nie die Kraft ausgehen. Obwohl hochbetagt hat sie bis zuletzt lautstark Stellung bezogen gegen Rassismus, gegen die Gefahr von rechts. Noch bis vor wenigen Monaten ist sie sogar regelmäßig auf Tournee gewesen mit ihrer Rap-Band „Microphone Mafia“ und hat Musik gemacht – Musik gegen Intoleranz und gegen das Vergessen.
Das Leben von Esther Bejarano:
https://www.mopo.de/hamburg/die-akkordeonspielerin-von-auschwitz-esther-bejarano-mit-96-gestorben/
Mopo – Radiobeitrag / Podcast: Der Tag, an dem Esther Bejarano nach Auschwitz kam
Gerade mal 1,47 Meter groß ist Esther Bejarano. Freunde nennen sie liebevoll Krümel. Trotzdem ist eine wirklich große Frau. Unbeugsam, leidenschaftlich und von unglaublicher Kraft. Ihre Eltern wurden ermordet, sie stieg am 20. April 1943 nach dreitätiger Eisenbahnfahrt aus dem Viehwaggon und fand sich in Auschwitz wieder, wurde Akkordeonspielerin im Lager-Orchester und machte Musik, wenn andere Juden Richtung Gaskammer getrieben wurden. Der Posten im Orchester hat ihr wahrscheinlich das Leben gerettet. Und deshalb wiederholt sie immer wieder, wie groß das Glück war, das sie in ihrem Leben hatte. Im MOPO-Podcast erzählt sie im Gespräch mit Olaf Wunder aus ihrem bewegten Leben.
Hier könnt ihr euch Esther Bejarano anhören, wie sie aus ihrem Leben erzählt:
https://dertagandem.podigee.io/s1e140-140-der-tag-an-dem-esther-bejarano-nach-auschwitz-kam
NDR, Im Gespräch mit Esther Bejarano:
https://www.ndr.de/kultur/epg/Aus-dem-Archiv-Esther-Bejarano-im-Gespraech,sendung1161714.html
Berthold Bose, Landesbezirksleitung ver.di, Hamburg:
„Liebe Kolleg*innen,
am Samstagmorgen hat uns die traurige Nachricht erreicht, dass Esther Bejarano verstorben ist.
Unsere Gedanken sind bei ihrer Familie. Wir trauern um eine große und mutige Frau.
Als Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück wirkte sie als Antifaschistin, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees und Ehrenpräsidentin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Sängerin, Zeugin der Zeit.
Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus war ihr Credo und das tragen wir weiter.
Wir werden ihr ein ehrendes Gedenken bewahren.
Mit traurigen Grüßen
Berthold Bose“
taz, 12.7.2021: Hamburgs Linksfraktion fordert eine Esther-Bejarano-Straße
Der Tod der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano am vergangenen Samstag hat eine Vielzahl an Reaktionen hervorgerufen. Politiker aller Bürgerschaftsfraktionen mit Ausnahme der AfD haben Bejaranos Engagement als Zeitzeugin gewürdigt. Die Linke in der Bürgerschaft forderte, „unverzüglich im Gedenken an Esther Bejarano eine Schule, einen Platz oder eine zentrale Straße nach ihr zu benennen“.
Bejarano sei davon überzeugt gewesen, „dass das Wissen um die Vergangenheit notwendig ist, damit wir den besseren Zustand der Gesellschaft als den denken können, in dem wir ohne Angst verschieden sein können“, erklärte SPD-Kultursenator Carsten Brosda mit Berufung auf Theodor Adorno. „Mit ihren oft streitbaren Wortmeldungen hat sie über viele Jahrzehnte wichtige Impulse für Demokratie, Erinnerungskultur und Gleichberechtigung gegeben“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Hamburgs-Linksfraktion-fordert-eine-Esther-Bejarano-Strasse,bejarano236.html
taz, 13.7.2021: Auschwitz-Überlebende gestorben: Ein Straßenname für Bejarano
Politiker würdigen das Engagement der Holocaust-Überlebenden als Zeitzeugin. Hamburgs Ex-SPD-Chef bedauert, dass Ehrenbürgerwürde nicht drin war.
https://taz.de/Auschwitz-Ueberlebende-gestorben/!5781034/
Esther Bejarano in der „Anstalt“, 2015:
„Sage nie, du gehst den allerletzten Weg“
https://www.youtube.com/watch?v=yT4wSbIzW-g
Esther Bejarano und Microphone Mafia –Konzert (Fusion Festival 2016)
https://www.youtube.com/watch?v=1wqFf8-WHXM
aus: ver.di-Arbeitskreis Frieden – Rundbrief 11/2021