Die Gleichschaltung des bürgerlichen Vereinswesens in Quickborn

Veröffentlicht von Jörg Penning am

Bei den bürgerlichen Vereinen war nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Gleichschaltung oftmals nur ein rein formaler Akt, den die jeweiligen Dachverbände anordneten und die unteren Ebenen vollzogen. Zu großen personellen Veränderungen in den Vorständen führte dies selten.

Die Deutsche Turnerschaft, die „die Welle der nationalen Erhebung, die zur Zeit durch das deutsche Volk hindurchgehe, aus vollstem Herzen begrüße und sich mit aller Kraft zur Mitarbeit zur Verfügung stelle“,[1] ordnete im Mai 1933 an, dass alle Ortsvorstände ihre Ämter für Neuwahlen zur Verfügung zu stellen haben.[2] Daraufhin erfolgten auch in der Quickborn Turnerschaft im Mai Vorstandsneuwahlen, in denen der Lehrer Ernst Langeloh erneut zum Vorsitzenden gewählt wurde. Das Quickborn-Hasloher Tageblatt berichtete hierüber: „Langeloh dankte für das ihm durch die Wahl ausgesprochene Vertrauen, verlangte von jedem Turner in Zukunft größte Pünktlichkeit und Pflichterfüllung und setzte dann die früheren Vorstandsmitglieder vorläufig wieder in ihre Aemter ein.[3] Für die Quickborner Turnerschaft blieb somit vorerst alles beim Alten. Neu hinzu kam jedoch die Einführung des Wehrsports im Sommer 1933, den die Turnerschaft zusammen mit der SA durchführte.[4]

Der Kampfgenossen- und Kriegerverein begrüßte gleichfalls die neuen politischen Verhältnisse in Deutschland. Über seine Generalversammlung am 30. April 1933 berichtete das Pinneberger Tageblatt: „Kamerad W. Schmidt (wies) auf die neue nationale Regierung hin, daß sich endlich Männer gefunden hätten, die mit ihrem ganzen Wollen und Können es sich zur Aufgabe gemacht haben, Deutschland wieder einer besseren Zukunft entgegenzuführen. (….) Wir Kriegskameraden stellen uns voll und ganz hinter dieser Regierung mit dem Wunsche, dieses Wollen zur Vollendung zu bringen und es ist Pflicht eines jeden Kameraden, tatkräftig an dem Aufbau mitzuarbeiten.“ [5] Als im Juli 1933 die Gleichschaltung stattfand, blieb Wilhelm Schmidt weiterhin erster Vorsitzender. Der sich nun „Führer“ nennende Ortsvorsitzende „ernannte“ daraufhin die restlichen sechs Vorstandsmitglieder, wobei bis auf zwei Personen alle bereits dem alten Vorstand angehörten.[6] Im Laufe des Nationalsozialismus änderte der Quickborner Kampfgenossen- und Kriegerverein seinen Namen in „Militärische Kameradschaft“ um[7] und trat 1938, wie alle anderen Kyffhäuservereine, dem NS-Reichskriegerbund bei.[8] Veränderungen hatte es im Verein im September 1933 aufgrund der Übergabe der Betreuungsangelegenheiten von Kriegsopfern und Kriegshinterbliebenen an die Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung (NSKOV) gegeben. Vorsitzender der örtlichen NSKOV, in der sämtliche Kriegsopferorganisationen zusammengelegt waren, war Johann Döhle, der bereits in der Zeit der Weimarer Republik Leiter der Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenengruppe des Kampfgenossen- und Kriegervereins war.[9]

Etwas weniger reibungslos und über einen längeren Zeitraum verlief die Gleichschaltung des Vaterländischen Frauenvereins. Dieser karitative bürgerliche Verein, der sich in Quickborn 1911 gründete[10] und mit 374 Mitgliedern im Jahr 1932 der größte Verein in der Landgemeinde Quickborn war,[11] stand in einem Konkurrenzverhältnis zur Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und zum Winterhilfswerk (WHW), die für sich beanspruchten, allein für die Wohlfahrtspflege zuständig zu sein. Deutlich wurde dieser Konflikt, nachdem der Frauenverein beabsichtigte Anfang Dezember 1933 einen Wohltätigkeitsabend zu veranstalten, dessen Einnahmen der vom Frauenverein angestellten Pflegerin und armen Schulkindern zugute kommen sollten.[12] Wenige Tage später berichtete das QHT: „Der am Montag in dieser Zeitung gegebene Bericht über eine Sitzung des Vaterländischen Frauenvereins Quickborn kann zu Irrtümern Anlaß geben. Es wird hierzu bemerkt, daß das zu veranstaltende Fest nur dann freigegeben wird, wenn der gesamte Reinertrag der Winterhilfe zufließt. Falls weiterhin Sammlungen vorgenommen werden sollen, ist die Genehmigung des Gruppenwalters hierzu erforderlich. Hierbei wird wiederholt darauf hingewiesen, daß Sammlungen nur zugunsten der Winterhilfe erfolgen dürfen. (…) Die Versorgung bedürftiger Schulkinder ist Angelegenheit der NS. Volkswohlfahrt.[13] 1934 folgte zudem die Übernahme der vom Frauenverein gegründeten Säuglingsversorgungs- und Mütterberatungsstelle durch die NSV[14] und am 1. April 1938 auch die Abgabe der Gemeindeschwesterstation.[15] Die personelle Gleichschaltung, bei der die Vorsitzende, Frau Grütter, weiterhin in dieser Funktion blieb, erfolgte im Frauenverein erst im November 1934. Im Voraus hieß es hierzu: „In einer Vorstandssitzung des Vaterländischen Frauenvereins vom Roten Kreuz wurde bekanntgegeben, daß die neuen Satzungen nunmehr von oberster Stelle herausgegeben worden sind. Die neuen Satzungen bedürfen der Bestätigung der Mitgliederversammlung. Die neuen Satzungen bestimmen die Ausscheidung des alten Vorstandes und gleichzeitig die Vornahme einer Neuwahl.[16] Ein weiterer Schritt in Richtung Anpassung trat mit der Übernahme des Vorsitzes durch die NS-Frauenschaftsleiterin, Frau Lahrßen, im Jahr 1937[17] und der Eingliederung des Vaterländischen Frauenvereins in die Ortsgemeinschaften des Roten Kreuzes ein.[18] Trotz der Einschränkungen und Beschneidung seiner Tätigkeiten blieb der Vaterländische Frauenverein einer der großen Vereine im Ort. 1937 wies er 405 Mitglieder auf.[19]

Die beruflichen Interessenorganisationen der Handwerker und Landwirte hatten sich ebenfalls einer Gleichschaltung zu unterziehen. Beim Handwerker- und Gewerbeverein erfolgte diese bereits am 28. April 1933. Vom Landesverband wurde dabei eine NSDAP-Quote von 51 Prozent innerhalb der Vorstände vorgegeben. Im Handwerker- und Gewerbeverein waren unter den sieben zu wählenden Vorstandsmitgliedern lediglich zwei zu diesem Zeitpunkt nicht in der NSDAP. Drei Mitglieder kamen neu in den Vorstand hinzu. Der alte Vorsitzende, Otto Wommelsdorf, blieb weiterhin in seinem Amt.[20] Im Sommer 1933 empfahl der Handwerker- und Gewerbeverein, „Angehörige vaterländischer Verbände“ bevorzugt einzustellen und appellierte an seine Mitglieder, „sich treu hinter unsere Regierung zu stellen und dem Staate gegenüber ihre Pflicht zu erfüllen, d.h. unter anderem die Steuern pünktlich zu entrichten, dann nur dann könne der Staat gleichfalls seine großen schwierigen Probleme lösen.[21] Seine zustimmende Haltung zu den neuen politischen Verhältnissen lässt sich auch aus dem Jahresrückblick 1933 des Vereins erkennen: „Das verflossene Jahr, das uns die Machtübernahme der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im Reiche brachte, hat in den Kreisen des Handwerks die im letzten Jahresbericht ausgesprochene Hoffnung auf eine Besserung der Lage im Berufsstande nicht zuschanden kommen lassen Es herrscht wieder Ruhe und Ordnung in unserem Vaterlande. (…) Wir schließen unseren Jahresbericht mit der festen Zuversicht, daß es jetzt wieder aufwärts geht, zum Wohle unseres Berufsstandes und damit zum Besten des gesamten deutschen Vaterlandes.“ [22]

Die Anpassung an die neue politische Ordnung erreichte mit der Überführung des Handwerker- und Gewerbevereins in die neu geschaffenen NS-Organisationen für den gewerblichen Mittelstand einen neuen Höhepunkt. Am 1. Januar 1934 lösten sich in Deutschland sämtliche Handwerkerverbände auf und wurden durch Ortshandwerkerschaften ersetzt.[23] Die Leitung der Quickborner Ortshandwerkerschaft übernahm Wilhelm Bestmann, der bereits vor der Machtübernahme dem Vorstand des Handwerker- und Gewerbevereins angehörte.[24] Über die Ortshandwerkerschaft hieß es auf einer Quickborner Versammlung im Februar 1934: „Die Hauptaufgabe der Ortshandwerkerschaften ist es, das gesamte Handwerk für die Mitarbeit zu erfassen; es gibt keine Zaungäste mehr wie bisher, die andere für sich arbeiten lassen. (…) Die Handwerksmeister sollen sich nicht mehr als Konkurrenten betrachten, sondern als Kollegen. (…) Es soll auch für die Folge nicht mehr so sein, daß der Meister sich als Arbeitgeber dünkt, so daß sich der Geselle als Arbeitnehmer ansieht. Nein, Meister und Geselle sind in erster Linie einmal gleichwertige Volksgenossen.[25] Eine weitere mittelständische Vereinigung bestand seit April 1934 mit der „Nationalsozialistischen Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisation“ (NS-HAGO). Örtlicher „Reichsbetriebsgemeinschaftsmeister“ war der Schumachermeister Ernst Sahling,[26] der auch zu den Gründungsmitgliedern der Ortsgruppe des Nordwestdeutschen Handwerkerbundes im Jahr 1922 gehörte.[27]

Die Interessenvertretung der Bauern, der Landwirtschaftliche Verein, gab im Oktober 1933 seine „auf Anordnung“ erfolgte Auflösung bekannt.[28] Seine Funktion übernahm der Reichsnährstand, der am 13. September 1933 reichsweit ins Leben gerufen wurde. In dieser landwirtschaftlichen Organisation waren sämtliche an der Erzeugung und dem Absatz landwirtschaftlicher Produkte beteiligte Personen per Zwangsmitgliedschaft integriert. Aufgaben des Reichsnährstandes waren neben der Lenkung und Kontrolle der Produktion, des Vertriebs und der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse auch die Förderung der sozialen und kulturellen Belange seiner Mitglieder. Örtlicher Leiter war der Ortsbauernführer.[29]

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