Werner Ballauf – vom Rittmeister der Reichswehr zum Generalmajor der Waffen-SS

Werner Ballauf, ca. 1933 (Foto: Reichstagshandbuch 1933, IX Wahlperiode.)
Werner Ballauf, ca. Mitte der 1930er Jahre (Foto: Divoll, Personen-Lexikon der NSDAP, S. 103)
Werner Ballauf in der Uniform des Obersturmbannführers der SS-Standarte "Germania", ca. Mitte der 1930er Jahre (Foto: Bundesarchiv Berlin)
Werner Ballauf in der Uniform des Obersturmbannführers der SS-Standarte "Deutschland", ca. Ende der 1930er Jahre (Foto: Bundesarchiv Berlin)
Ohlmöhlenweg 118, Quickborn

Im Jahr 1930 zog der „Rittmeister a.D.“ Werner Ballauf mit seiner Familie von Hamburg kommend nach Quickborn. Er bezog im heutigen Ohlmöhlenweg Nr. 118 eine Villa. Zu dem Anwesen, das er von dem Landwirt Griese erwarb,[1] gehörten auch Fischteiche und der landwirtschaftliche Betrieb Eichenhof.[2] Wer war dieser neue Zuzügler?

Werner Ballauf[3] wurde am 21. September 1890 in Düsseldorf[4] als Sohn des Kaufmanns Arnold Ballauf[5] geboren. Sein Vater hatte 1887 ein Fachbetrieb für Öfen und Küchengeräte gegründet  und eröffnete in Düsseldorf unter dem Namen „Haushaltsmagazin Ballauf“ ein Geschäft.[6] Sein Sohn Werner besuchte in Düsseldorf von 1896 bis 1909 das Realgymnasium und entschloss sich nach dem Abitur an den Universitäten Bonn, München und Straßburg Rechtswissenschaften zu studieren. Parallel hierzu trat er im Elsass als Einjährigen-Freiwilliger in den Militärdienst der königlich-preußischen Armee ein und begann beruflich ab 1911 eine Offizierslaufbahn einzuschlagen.[7] Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Ballauf als Patrouillenoffizier beim Stabe der 7. Kavallerie-Division eingeteilt und geriet bereits Ende 1914 in Flandern bei einer Fernaufklärung verwundet in die Hände des Gegners. 1918 wurde er aus der französischen Kriegsgefangenschaft ausgetauscht.[8]

Nach dem Krieg diente Ballauf zunächst im Übergangsheer und verließ auf eigenen Wunsch im April 1920 die Reichswehr mit dem militärischen Rang des obersten Rittmeisters.[9] Anschließend widmete er sich bis 1923 in Neapel, Rom und Mailand kaufmännischen Tätigkeiten, die er 1924 in Frankfurt am Main, 1925 in Südamerika und ab 1926 in Hamburg fortführte.[10]

In Hamburg heiratete Ballauf 1928 Ingeborg Krogmann.[11] Sie war die Cousine von Carl Vincent Krogmann, der nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Regierender Bürgermeister der Stadt Hamburg eingesetzt wurde.[12] Es war die zweite Ehe, die Werner Ballauf einging. Der ersten Ehe entstammte der Sohn Werner. Aus der zweiten Ehe gingen nochmals vier Kinder hervor.[13]

Nach dem Erwerb des Anwesens in Quickborn wechselte Ballauf in den Beruf des Landwirts und bewirtschaftete den dortigen Eichenhof.[14]

Ballauf hatte 1929/1930 dem Tannenbergbund angehört.[15] Dieser war ein Dachverband völkischer Jugend- und Wehrverbände, der 1925 unter Mitwirkung des Generals a.D. Erich Ludendorff und seiner Frau Mathilde gegründet wurde und zahlreiche ehemalige Offiziere des alten Heeres an sich binden konnte. Der Verband war nach dem „Führerprinzip“ aufgebaut, zielte auf eine großdeutsche Militärdiktatur ab und vertrat eine Weltverschwörungstheorie, nach der „überstaatliche Mächte“, zu denen die katholische Kirche, Freimaurer und Juden gezählt wurden, sich des deutschen Staates bemächtigen würden. Aufgrund der immer stärker ausgeprägten antikirchlichen und antireligiösen Haltung Ludendorffs und der Wahnvorstellungen, dass auch die Führung der NSDAP zu den Verschwörungsmächten gehörte, geriet der Tannenbergbund zunehmend in die Isolation und verlor im rechtsradikalen Milieu an Bedeutung.[16] Viele der einstigen Anhänger schlossen sich der nationalsozialistischen Bewegung an, so auch Werner Ballauf.

Er wurde am 1. Juli 1931 mit der Mitglieds-Nummer 585.143[17] in die NSDAP-Ortsgruppe Quickborn aufgenommen[18] und gehörte hier schon bald als Ortsgruppen-Propagandaleiter zum lokalen Führungskreis der Partei. In letzterer Funktion trat er am 14. November 1931 als Redner auf einer Versammlung der NSDAP in Schmidt’s Gasthof auf und, so das Quickborn-Hasloher Tageblatt, „schilderte u.a. den interessanten Verlauf des Parteitages in Braunschweig.“ [19] Eine weitere Rede hielt er am 28. Mai 1932, in der er sich deutlich von dem Tannenbergbund, dem er einst selbst angehörte, abgrenzte. Hintergrund der Rede waren kirchenfeindliche Strömungen innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung, die bei kirchlich gebundenen NSDAP-Sympathisanten auf Vorbehalte stießen. Um diese aus dem Weg zu räumen, äußerte Ballauf auf der NSDAP-Veranstaltung in Quickborn-Renzel: „Die [nationalsozialistische, d. Verf.] Bewegung ist gewillt, die bestehenden beiden christlichen Konfessionen zu schützen. Nie und nimmer kommt es ihr in den Sinn, auf sittlichem Gebiet Lehren aufzustellen, die mit dem Lehrgebäude der beiden christlichen Kirchen nicht übereinstimmen. (…) Die Nationalsozialisten sind der Ueberzeugung, daß unsere ganze deutsche Kultur seit mehr als tausend Jahren auf das Christentum eingestellt ist und davon nicht mehr weggedacht werden kann.[20] Doch allzu kirchenloyal sollte Werner Ballauf schon bald nicht mehr sein: 1936 trat er aus der evangelischen Kirche aus und bezeichnete sich zukünftig als „gottgläubig“.[21]

Seine große Leidenschaft galt dem ehemaligen Berufsoffizier jedoch mehr den paramilitärischen Verbänden der Nationalsozialisten, der SA und der SS. Der Quickborner SA trat Ballauf am 6. Dezember 1931 bei.[22] Bereits 1932 wurde er in der SA-Standarte 31 zunächst Truppenführer,[23] dann ab dem 17. Juni Sturmführer des Sturms 26 und Ende Februar 1933 schließlich SA-Sturmbannführer des Sturmannes III.[24] Auf seinem Gut Eichenhof trainierte er seine SA für den politischen Kampf.[25] Ein Zeitzeuge erinnerte sich: „Da weiß ich auch, dass da von denen [den Nationalsozialisten, d. Verf.] die Hochburg war. Davon ist oft gesprochen worden. Von Hamburg sind sie da schon damals angereist mit Lkw und haben da ihre Übungen gemacht.[26] Der Entnazifizierungsausschuss Quickborn merkte nach dem Krieg an: „Ballauf organisierte 1933 [gemeint wird vermutlich eher 1932 sein, d. Verf.] in Quickborn die SA, und zwar in vollkommen militärischer Weise. Er verkörperte einen Herrenmenschen und den preußischen Militarismus.[27]

Ballauf war es auch, der am 3. März 1933 aus Mitgliedern der SA, der SS und des Stahlhelms den „Haus- und Werkschutz“ gründete, der in Quickborn die Funktion der Hilfspolizei übernahm[28] und dessen Aufgabe es war, so Landrat Johann Duvigneau, für „den Schutz der bürgerlichen Bevölkerung vor den Angriffen der in Quickborn und in der Quickborner Heide sehr zahlreich vorhandenen Kommunisten“ zu sorgen.[29] Gleich am zweiten Tag nach der Gründung dieser „Schutzgruppe“ wurde aus dessen Reihen am 5. März 1933 der 19-jährige Kommunist Paul Warnecke erschossen.[30] Einen Tag nach dieser Tat führte Ballauf in einer Rede vor dem Quickborner Rathaus aus: „Kameraden von der SA und SS, heute ist auch für Quickborn der Tag gekommen, an welchem die Fahne des nationalsozialistischen Deutschland auf dem Rathaus in Quickborn aufgezogen wird. Wir hoffen und wünschen, dass diese Fahne dort oben bleibt und geloben gleichzeitig, dass das Hakenkreuzbanner nicht heruntergeholt wird, solange wir leben. (…) Ebenfalls geloben wir, dass mit dem Kommunismus der Quickborner Heide endgültig aufgeräumt wird.[31]

Im April 1933 trat Werner Ballauf mit der Mitglieds-Nr. 66.679[32] von der SA in die SS über,[33] die allgemein als disziplinierter angesehen wurde und aufgrund ihres elitären Charakters über ein höheres Ansehen verfügte. Hier wurde er schnell befördert: Am 18. Juni 1933 wurde Ballauf Sturmbannführer der 28. SS-Standarte Hamburg[34] und am 1. Dezember 1933 SS-Obersturmbannführer.[35] In letzterer Funktion war er von Januar bis Mai 1934 im Stabe des SS-Oberabschnittes „Nordwest“ in Altona tätig.[36] Am 18. Juni 1934 übernahm Ballauf kommissarisch die Stabsführung des SS-Oberabschnittes Nord[37] und vom 6. Oktober 1934 bis zum 26. März 1935 wurde er als Führer z.b.V. des SS-Abschnittes XV in Altona eingesetzt.[38] In seiner Funktion als SS-Führer hatte er u.a. 1934 das KZ Dachau inspiziert.[39]

Neben seinem Aufstieg in der SS war Ballauf vom 23. August 1933 bis zum 10. Oktober 1934 im Hamburgischen Staatsrat.[40] Dieses Gremium, das nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten die gewählte Bürgerschaft ersetzte, bestand aus den Senatsmitgliedern, den Staatssekretären sowie zwanzig weiteren Mitgliedern aus gesellschaftlichen Bereichen und der NSDAP-Führungsebene, die vom Regierenden Bürgermeister benannt wurden. Als eine Art Stände-Repräsentation sollte der Staatsrat, der ohnehin nur wenige Male zusammentrat, keine demokratische Kontrollfunktion ausüben, sondern dem Bürgermeister lediglich beratend zur Seite stehen.[41] Neben seiner Tätigkeit im Hamburgischen Staatsrat ließ sich Ballauf als Kandidat für die Reichstagswahl am 12. November 1933 aufstellen und war einer der zwölf „gewählten“ Nationalsozialisten aus dem Wahlkreis Hamburg, die in der Wahlperiode bis 1936 im Reichstag vertreten waren.[42] Wie der Staatsrat, so hatte jedoch auch der Reichstag nur noch eine Scheinfunktion gehabt, zumal dieser in der neunten Wahlperiode lediglich zu sieben Versammlungen zusammenkam.[43]

Von der allgemeinen SS wechselte Werner Ballauf im März 1935 in die SS-Verfügungstruppe (SS-VT), der späteren Waffen-SS. Diese war eine bewaffnete stehende Truppe, die Himmler im Dezember 1934 aus dem Zusammenschluss der Politischen Bereitschaften der SS und der Leibstandarte „Adolf Hitler“ gründete und zunächst Aufgaben zur inneren Sicherung des Regimes wahrnehmen sollte.[44] Hier war Ballauf bis Anfang September 1935 als Sturmführer der in Hamburg stationierten SS-Standarte 2 „Germania“ eingesetzt.[45] Anschließend wurde er zum Führer des SS-Nachrichtensturmbanns in Berlin-Adlerhof kommandiert, wo er bis Anfang Juli 1936 verblieb. Danach trat er in den Führungsstab der SS-Standarte 1 „Deutschland“, die in München stationiert war.[46] Der neue Dienstort führte zu einem Fortzug aus Quickborn und dem Verkauf seiner Villa.[47] In der SS-Standarte „Deutschland“ wurde Werner Ballauf im Mai 1937 Führer des III. Sturmbanns[48] und nahm als solcher im März 1938 am Einmarsch in Österreich und im Oktober 1938 am Einmarsch in das Sudetenland teil.[49] Ab Ende November 1938 wurde der inzwischen zum SS-Standartenführer beförderte Ballauf Führer beim Stab der in Wien stationierten SS-Standarte „Der Führer“ und war nach dem Einmarsch in die Chechoslowakei ab Januar 1940 für ein Jahr Standortkommandant der SS-Standortkommandantur in Prag. Nachdem Ballauf bis zum 18. Juni 1941 als Führer der 10. SS-Totenkopfstandarte in Polen eingesetzt war, wurde er anschließend für zwei Monate als Führer des SS-Infanterie-Regiments 6 in Finnland eingesetzt. Hierauf folgte vom 13. August 1941 bis Ende 1941 seine Versetzung in das SS-Führungshauptamt, wo er am 9. November 1941 zum Oberführer der Waffen-SS (äquivalent zum Oberst in der Wehrmacht[50]) ernannt wurde. Ab Januar 1943 wurde Ballauf kommissarischer Kommandeur der SS-Junkerschule in Braunschweig. Mit seiner Ernennung zum SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS am 1. Mai 1943 folgte die vollständige Übernahme des Amtes des Kommandeurs der Junkerschule, das er bis Anfang 1945 ausübte.[51] Im Januar 1945, zu einer Zeit, in der es im Nordosten des Deutschen Reiches zu starken Verteidigungskämpfen gegen die Rote Armee kam, war Ballauf in der Heeresgruppe Weichsel unter Oberbefehlshaber Heinrich Himmler eingesetzt. Durch ein fluchtartiges Absetzmanöver Ende Januar 1945 verlor Ballauf die ihm anvertrauten Pläne von Panzerfestungen, die dadurch in die Hände der sowjetischen Angriffsverbände gerieten und diesen einen schnellen Vorstoß ermöglichten.[52] Vom Februar bis Anfang März 1945 war Ballauf Kommandeur des rückwärtigen Gebietes der 11. SS-Armee und die letzten Kriegstage Kommandeur der „Kampfgruppe Ballauf“ beim V. SS-Gebirgs-Armeekorps.[53]

Werner Ballauf kam Ende des Krieges in Hamburg unter[54] und wurde hier am 8. Mai 1945 in Kriegsgefangenschaft genommen und in ein Gefangenenlager in England überführt.[55] Dort blieb er bis zum 8. Oktober 1947 und geriet anschließend wegen seiner Tätigkeit in der SS bis zum 3. Juni 1948 in Neuengamme in Internierungshaft. Das Spruchgericht Bergedorf verurteilte ihn wegen Zugehörigkeit zu einer verbrecherischen Organisation zu einer Haftstrafe von einem Jahr Gefängnis, die mit der Internierungshaft verbüßt war. Anschließend hatte er sich noch in seinem neuen Heimatort Ahrensfelde bei Ahrensburg einem Entnazifizierungsverfahren zu stellen.[56] Als Verteidigungsstrategie bemühte er das Bild des eher unpolitischen Militärs. So gab er an, in die SS „aus Liebe zum Soldatentum“ eingetreten zu sein. Des Weiteren äußerte Ballauf: „Wenn ich damals von den Unmenschlichkeiten und Übergriffen der Nazi-Herrschaft etwas geahnt hätte, so wäre ich schon aus meiner ganzen liberalen Einstellung heraus nicht in alle diese Organisationen eingetreten. Ich kann nur sagen, dass unser Idealismus und unsere Gutgläubigkeit schändlich missbraucht worden sind.[57] Der Entnazifizierungs-Hauptausschuss Düsseldorf, der nach einem 1948 erfolgten Umzug von Werner Ballauf in seine Geburtsstadt das Verfahren abschloss, folgte der Argumentation. Es stufte ihn in die Kategorie IV als „Mitläufer“ ein und urteilte: „Die Kammer hat nicht den Eindruck von ihm gewonnen, dass er ein fanatischer Nationalsozialist gewesen sein kann. Sein früher Eintritt zur NSDAP und SA ist offenbar darauf zurückzuführen, dass er in der nationalsozialistischen Bewegung seine soldatischen Ideale verwirklicht sah.[58]

Werner Ballauf führte in Düsseldorf die Geschäfte seines Vaters weiter. Als Geschäftsführer der Fa. Werner Ballauf Einzelhandel GmbH & Co KG betrieb er zwei Geschäfte für Hausrats- und Geschenkartikel, die in den Hochzeiten in den 1960er Jahren rund 400 Mitarbeiter beschäftigten.[59] Er starb am 10. Januar 1973 mit 82 Jahren.[60]

Die Villa im Ohlmöhlenweg mit dem Anwesen und den dazugehörigen Baulichkeiten hatte Werner Ballauf 1937 an den Kaufmann Becker verkauft.[61] Später ließ sich hier der Bekleidungsfabrikant Arthur Erlhoff nieder.[62] Heute wohnt hier eine Enkelin des verstorbenen Verlägers Axel Cäsar Springer.[63]

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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