In der Landgemeinde Quickborn war ein verhältnismäßig großes Vereinsangebot vorhanden.[1] Abzüglich der gewerkschaftlichen und Parteinebenorganisationen ließen sich in den 1920/30er Jahren 33 örtliche Vereine feststellen. Eine der großen und im bürgerlichen Milieu im hohen Maße anerkannten Vereine hiervon war der Kampfgenossen- und Kriegerverein. Sein Vereinslokal war „Schmidts Gasthof“ in der Kieler Straße.[2]
Die Anfänge der Kriegervereine lassen sich in Preußen bis ins Jahr 1815 zurückverfolgen. Ihre Aufgabe sahen sie in der patriotischen Erinnerungspflege vergangener Kriegsereignisse und dem geistigen Zusammenhalt ehemaliger Kriegsteilnehmer.[3] Ein regelrechter Gründungsboom der Kriegervereine entfaltete sich nach den „Einigungskriegen“ 1864/71, in denen die nationale Euphorie auch in den entlegenen Gegenden Impulse nach einem festen organisatorischen Rahmen ehemaliger Kriegsteilnehmer freisetzte.[4] Ab 1900 wurden alle Kriegervereine unter dem Dachverband „Kyffhäuserbund“ zusammengeschlossen.[5] Charakteristisch für das Kriegsvereinswesen war eine nostalgische Fixierung auf die Kaiserzeit, eine Glorifizierung der Kriegserlebnisse und eine mentale Affinität zu den Rechtsparteien.[6]
Die Ursprünge des Quickborner Kriegervereins gehen bis Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Der erste im Ort vorhandene Kriegerverein war der „Kampfgenossenverein von 1848/51 zu Quickborn“. Ihm folgte der 1872 von Veteranen des deutsch-französischen Krieges initiierte „Kampfgenossenverein von 1870/71 zu Quickborn“ und schließlich der 1886 gegründete „Kriegerverein zu Quickborn und Umgegend“.[7] Letztlich verschmolzen diese Vereine zum „Kampfgenossen- und Kriegerverein“ zusammen, dem 1926 142 Mitglieder angehörten.[8] Unter ihnen befanden sich die Repräsentanten des örtlichen Bürgertums, die in dem bürgerlichen Milieu auf hohe Akzeptanz stießen. Hierzu gehörten der Pastor, einige Lehrer, eine Anzahl alteingesessener Handwerksmeister und Unternehmer.[9]
Der Kampfgenossen- und Kriegerverein prägte durch Aufmärsche, Festlichkeiten und Veranstaltungen im besonderen Maße das kulturelle Leben der Landgemeinde. Besondere feierliche Höhepunkte des Jahres waren in der Kaiserzeit für den Kriegerverein der „Sedantag“ am 2. September in Erinnerung an die französische Kapitulation von 1870[10] und der Geburtstag des Kaisers am 27. Januar.[11]
Nach dem Ersten Weltkrieg war die Zukunft der Kriegervereine zunächst ungewiss. Es Bestand die Befürchtung, dass sich diese aufgrund ihrer bejahenden Haltung zum monarchischen Obrigkeitsstaat und der militärischen Traditionspflege aufzulösen hätten. Unter der Bedingung jedoch, dass im Vereinsleben der Gebrauch von Waffen unterblieb, konnten die Kriegervereine mit abgeänderten Satzungen weiter bestehen.[12] Über die Umstellung des Kriegervereinswesens berichtete die Lokalpresse: „Künftig betrachten sie [die Kriegervereine, d. Verf.] als ihren idealen Zweck die Belebung und Stärkung der Treue zum deutschen Vaterlande, der Vaterlandsliebe und des Nationalbewußtseins. Neben der Pflege der Kameradschaft und der Pflicht, verstorbene Kameraden feierlich zu Grabe zu geleiten, soll dann besonders das Unterstützungswesen ausgebaut werden.“ [13]
Für den Quickborner Kampfgenossen- und Kriegerverein schien auch nach der deutschen Revolution von 1918 alles seinen gewohnten Gang zu gehen. So fand im März 1919 ein Militärkonzert[14] und im Monat darauf Vortragsabende zu den Themen „Die Lage unserer Gefangenen“ und „Die Kämpfe unserer Ostafrikaner“ statt.[15] Zu einer ernsten Gefahr des Bestandes des Vereins kam es 1922 nach der Ermordung des Reichsaußenministers Walter Rathenau durch einen Rechtsextremisten. Im ganzen Reich fanden daraufhin unter dem Motto „Schützt die Republik“ Kundgebungen statt.[16] Auch in Quickborn waren am 4. Juli 1922 ca. 600 Personen dem Demonstrationsaufruf der örtlichen Gewerkschaften gefolgt und forderten vom Amtsvorsteher und der Gemeindeverwaltung das Verbot aller monarchistischen und militaristischen Verbindungen und die Entwaffnung ihrer Mitglieder. Insbesondere der Kampfgenossen- und Kriegerverein, aus dessen Vereinslokal die Demonstranten die sich im Vereinsbesitz befindenden Gewehre entwendet hatten, sollte verboten und aufgelöst werden.[17] Der Amtsvorsteher Heinrich Lohse, der selbst Mitglied und zeitweise zweiter Vorsitzender des Kriegervereins war,[18] versprach in Anbetracht der öffentlichen Erregung innerhalb von drei Tagen auf die Forderungen zu reagieren.[19] Von einem Verbot sah er dann ab.
In den 1920er und 1930er Jahren veranstaltete der örtliche Kriegerverein Militärkonzerte,[20] Volksfeste mit anderen „vaterländischen“ Verbänden[21] und Wohltätigkeitsbälle, wie z.B. 1923 zugunsten des von französischen Truppen besetzten Rheinlandes.[22] Seine Mitglieder hatten außerdem für einen Vereinsbeitrag von vierteljährig 1,50 RM[23] die Möglichkeit, sich im Fechten und Waffengebrauch zu üben.[24] Auch soziale Funktionen waren mit der Mitgliedschaft verbunden: Beerdigungskosten für verstorbene Mitglieder wurden von einer Sterbekasse mitgetragen[25] und eine 1921 eingerichtete Unterstützerkasse sorgte sich um bedürftige „Kriegskameraden“ [26] und ermöglichte u.a. eine kostenlose Krankenbehandlung.[27] Des Weiteren wurde sich um die Belange der Kriegshinterbliebenen und Kriegsbeschädigten gekümmert[28] und regelmäßig Spenden für die Kriegswaisenhäuser gesammelt.[29]
Durch die zahlreichen Veranstaltungen des Kriegervereins beeinflusste er maßgebend das geistige Klima im Ort. So ließ er im Quickborner „Lichtspielhaus“ die Filme „Hindenburgs Lebenslauf“ und „Der Weltkrieg“ zeigen, wobei letzterer von der Lokalpresse mit den Worten angekündigt wurde: „Dieser Film ist kein Lichtspiel im gewöhnlichen Sinne, sondern ein unvergängliches Dokument des deutschen Heldenkampfes. Kein Einzelschicksal wird gezeigt, sondern das Schicksal des gesamten deutschen Volkes. (…) Eine gigantische Begebenheit, die auf einwandfreier geschichtlicher Wahrheit beruht, mit Originalaufnahmen aus dem Reichsarchiv eine streng wahrheitsgetreue Schilderung. Ein Film, der die unvergleichlichen Heldentaten der deutschen Armee allen kommenden Geschlechtern immer vor Augen führen wird.“ [30]
Einen besonderen Höhepunkt des Jahres bildete für den Kampfgenossen- und Kriegerverein der jährliche Volkstrauertag im Frühjahr an dem auch anderen bürgerlichen Vereinen des Ortes teilnahmen und der immer nach dem gleichen Schema verliefen: Nach dem Gottesdienst folgten Ansprachen an dem 1922 eingeweihten „Denkmal zur Ehrung der im Weltkriege gefallenen Helden“,[31] es wurden Kränze der verschiedenen Vereine abgelegt und abschließend das Lied „Ich hatt’ einen Kameraden“ gesungen. Der Volkstrauertag diente nicht nur dazu, der im Krieg verstorbenen Söhne und Väter des Heimatortes zu gedenken, sondern auch an das nationale und patriotische Bewusstsein der Anwesenden zu appellieren. Der Erste Weltkrieg wurde dabei zu einem „heldenhaften Kampf“ für das „Vaterland“ verklärt. Eine kritische Reflexion der Kriegsursachen unterblieb. Deutlich zeigt sich dieses in der Rede des Vereinsmitglieds Reimer Martens zum Volkstrauertag im Jahr 1925. Die Presse berichtete hierüber: „Er geißelte mit scharfen Worten die Verräter und Kriegsgewinnler, die um schnöden Gewinn ihr Vaterland verrieten und den Hungernden das Brot nahmen, um es ins Ausland zu verschieben, die Hochverräter, die planmäßig das deutsche Volk verzagt machten und die Krieger veranlaßten ihren Fahneneid zu brechen und die Waffen von sich zu werfen. Und diese Hochverräter setzen sich nachher selbst an die gefüllten Krippen. (…) Wenn einer der Gefallenen zu uns reden könnte, so würde er sagen: Was trauert ihr? Wir taten nur unsere Pflicht. Aber drohend würde er seine Faust erheben und den Hochverrätern fluchen.“ [32]
Neben dem Zusammenwirken mit den örtlichen „vaterländischen“ Vereinen zum Volkstrauertag fanden oftmals Zusammenkünfte mit auswärtigen rechtsbürgerlichen Vereinigungen statt. Im August 1926 lud der Quickborner Kriegerverein den Kampfgenossenverein von Stellingen, den „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“, den „Bismarckbund“ und den „Jungdeutschen Orden“ ein, die gemeinsam einen Umzug durch den Ort durchführten, am „Heldendenkmal“ Kränze ablegten und sich anschließend zu Festlichkeiten in die Gastwirtschaften einfanden.[33] Am 3. Februar 1929 veranstaltete der Quickborner Kampfgenossen- und Kriegerverein mit den benachbarten Kriegervereinen aus Hasloh, Bönningstedt und Garstedt eine gemeinsame Kundgebung im Ort, die sich gegen die „Kriegsschuldlüge“ richtete.[34] An Kundgebungen gegen die „Kriegsschuldlüge“ beteiligte sich der Quickborner Verein auch im Juni 1929 und Januar 1930 in Pinneberg.[35]
Diese nationale Selbstgerechtigkeit, der Hang zum Obrigkeitsdenken und die militaristische Sicht auf die Welt ließen eine gewisse inhaltliche Nähe zu den Nationalsozialisten erkennen. Nach der Machtübernahme der NSDAP begrüßte daher der Kampfgenossen- und Kriegerverein die neuen politischen Verhältnisse. Das Pinneberger Tageblatt berichtete über eine Versammlung des Kriegervereins vom 30. April 1933: „Kamerad W. Schmidt [wies] auf die neue nationale Regierung hin, daß sich endlich Männer gefunden hätten, die mit ihrem ganzen Wollen und Können es sich zur Aufgabe gemacht haben, Deutschland wieder einer besseren Zukunft entgegenzuführen. (….) Wir Kriegskameraden stellen uns voll und ganz hinter dieser Regierung mit dem Wunsche, dieses Wollen zur Vollendung zu bringen und es ist Pflicht eines jeden Kameraden, tatkräftig an dem Aufbau mitzuarbeiten.“ [36] Als im Sommer 1933 die Gleichschaltung auch das bürgerliche Vereinsleben betraf, blieb dieses für den Kampfgenossen- und Kriegerverein nur ein formaler Akt. Der seit 1925 den Vorsitz einnehmende Gerbereibesitzer Wilhelm Schmidt[37] war politisch „unverdächtig“ und blieb nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erster Vorsitzender. Der sich nun „Führer“ nennende Ortsvorsitzende „ernannte“ daraufhin die restlichen sechs Vorstandsmitglieder, von denen vier bereits vorher im Vorstand des Kriegervereins mitgewirkt hatten.[38]
Im Laufe des Nationalsozialismus änderte der Quickborner Kampfgenossen- und Kriegerverein seinen Namen in „Militärische Kameradschaft“ um[39] und trat 1938, wie alle anderen Kyffhäuservereine, dem NS-Reichskriegerbund bei.[40] Veränderungen hatte es im Verein im September 1933 aufgrund der Übergabe der Betreuungsangelegenheiten von Kriegsopfern und Kriegshinterbliebenen an die Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung (NSKOV) gegeben. Vorsitzender der örtlichen NSKOV, in der sämtliche Kriegsopferorganisationen zusammengelegt waren, war Johann Döhle, der bereits in der Weimarer Republik Leiter der Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenengruppe des Kampfgenossen- und Kriegervereins war.[41]