Dieser Teil der ursprünglichen Norderstraße wurde 1973 nach dem Postmeister und Gemeindevorsteher Johannes von Helms (1873–1952) benannt. Die Entscheidung erfolgte nach mündlichem Antrag des Gemeindevertreters Georg Johannsen (CDU) spontan auf der Gemeindevertreterversammlung vom 27. Juni 1973. [1] Sie wurde gefällt ohne umfangreiche Recherche und war wegen der Tätigkeit des Gemeindevorstehers in der NS-Zeit umstritten. [2] Auch Bürgervorsteher Gollnick (SPD) ließ sich von den positiven Ausführungen der Gemeindevertreter, die ihn gekannt hatten, überzeugen und stimmte für eine Ehrung. 10 Gemeindevertreter stimmten dafür, 7 dagegen, 2 enthielten sich der Stimme.
Der Gemeindevertreter Jürgen Wagner (SPD) fragte sich laut Protokoll der Sitzung, „ob es politisch klug ist, mit Ehrungen von Persönlichkeiten zu beginnen, die in der NS-Zeit als Bürgermeister gewirkt haben. Er glaubt nicht, daß man mit einer solchen Maßnahme insbesondere bei jüngeren Bürgern Verständnis finden wird.“ [3]
Zu dieser Benennung „Von-Helms-Straße“ kam es im Zuge der Bestätigung des Gemeinderates einer Neubenennung und Umbenennung von 33 Straßenzügen. Der Hauptausschuss, der Ausschuss für Kultur und Bildungswesen und der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr hatten in einer gemeinsamen Sitzung eine einstimmige Vorschlagsliste erarbeitet. Hierin war eine „Von-Helms-Straße“ nicht enthalten. Diese Straßenbenennung ging nicht durch die Ausschüsse, sondern wurde direkt am Abend der Gemeinderatssitzung, wie geschildert, durch Abstimmung herbeigeführt.
Zur Person von Johannes von Helms während der NS-Zeit:
Johannes von Helms war von 1926 bis 1943 Gemeindevorsteher von Tornesch, von 1937 bis 1943 auch Amtsvorsteher, d. h. er nahm auch polizeiliche Aufgaben während der NS-Zeit war.
Zur Recherche der Tätigkeit von Johannes von Helms während der NS-Zeit ist vorab zu sagen, dass die Unterlagen der Gemeinde nach dem Krieg vernichtet worden sind. Als Quellen dienen die Aussagen von Zeitzeugen, Zeitungsberichte, das Bundesarchiv bzgl. der NSDAP-Mitgliedschaft, Vorgänge aus den Wiedergutmachungsakten des Landesarchivs Schleswig-Holstein und Zufallsfunde.
Nach 1933 sollte von Helms als Gemeindevorsteher in Zukunft an allen NSDAP-Ortsgruppenversammlungen teilnehmen. Es hieß im damaligen Zeitungsbericht darüber: „Durch diese Maßnahme ist ein Schritt weiter getan, um die Ortsgruppe als führende politische Körperschaft in die Kommunalverwaltung einzuschalten und dadurch die Arbeit gleichzeitig zu vereinfachen und auch erfolgbringender zu gestalten.“ [4]
Der NSDAP-Ortsgruppenleiter Otto Lausmann, der in der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 das Anzünden eines jüdischen Wochenendhäuschens im Pastorendamm veranlasste, war von Helms unmittelbar beigeordnet. Von Helms soll nach Aussage der Inhaberin Anna Jacoby 1939 den drohenden Zwangsverkauf des Grundstückes begünstigt haben. [5]
1937 nach der Lockerung der Mitgliederaufnahmesperre der NSDAP – diese bestand seit dem 19. April 1933 – trat von Helms sofort in die NSDAP ein. [6]
Als Amtsvorsteher ab 1937 nahm Johannes von Helms polizeiliche Aufgaben wahr und hatte bei Verhaftungen für deren Durchführung zu sorgen. Durch mündliche Überlieferung eines verfolgten Zeugen Jehovas ist dessen Überführung ins Gefängnis nach Altona im Beisein des Gemeindevorstehers von Helms und des Gestapobeamten Tödt bezeugt. [7]
Strafverfolgungen von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern fielen auch in den Zuständigkeitsbereich von Johannes von Helms als Amtsvorsteher. Es wird bei der hohen Anzahl von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern – geschätzt zeitgleich in den Jahren 1942 bis 1945 mindestens 170 Personen – zahlreiche durch Johannes von Helms ausgeführte Strafverfügungen in Tornesch gegeben haben. Konkret überliefert ist hier zufälligerweise in den Unterlagen der „Tornescher Baumschulen“ noch eine von ihm unterschriebene Strafverfügung einer Geldstrafe wegen abendlichem Aufenthalt einer polnischen Baumschularbeiterin im Freien. [8]
Die NS-Herrschaft bedeutete für die Tornescher Kirchengemeinde ab 1935 die vermehrte Einschränkung und Behinderung der kirchlichen Arbeit. [9]. Gemeindevorsteher von Helms, stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes und Synodalvertreter, wurde von dem Tornescher Pastor Oppermann im Rückblick 1947 bescheinigt, hier ausgleichend gewirkt zu haben. [10]
1942 firmierte Johannes von Helms als Bauherr des von der Gemeinde Tornesch errichteten Kriegsgefangenenlagers für Sowjetsoldaten. [11]
Johannes von Helms wurde nach seinem Rücktritt 1943 Beigeordneter der inzwischen auf vier NSDAP-Parteimitglieder geschrumpften Gemeindevertretung neben dem NSDAP-Ortsgruppenleiter Hans Möller, der ebenfalls Beigeordneter war. Er trat also nicht aus dem nationalsozialistisch geführten Gemeinderat aus. [12] Hans Möller und Otto Dabelstein kamen nach Kriegsende von 1945 bis 1947 in ein Zivil-Internierungslager. [13]
Im Zeitungsnachruf von 1952 [14] heißt es, dass von Helms 1941 als „Ehrenbürgermeister“ ernannt wurde, was seine Übereinstimmung mit der Tätigkeit der NS-Politik nahelegt. Da er 1943 aus dem Dienst ausschied, ist anzunehmen, dass er entgegen dieser Darstellung 1943 zum „Ehrenbürgermeister“ wurde.
Zusammenfassend kann von Helms Tätigkeit als Beitrag zur Aufrechterhaltung der NS-Herrschaft bezeichnet werden.
Seit 2020 steht der Straßenname in der Diskussion im Ausschuss für Jugend, Sport, Soziales, Kultur und Bildungswesen der Stadt Tornesch.