Außenstraflager der Justizvollzugsanstalt Rendsburg

Gefangenenlager Himmelmoor, ca. 1918 (Foto: R. Schildt)
Gefangenenlager Himmelmoor, ca. 1918 (Foto: R. Schildt)
Gefangenenlager auf dem Himmelmoor, ca.1915 (Foto: R. Schildt)
Stempel der 'Kommandantur des Arbeits-Gefangenenlager Himmelmoor', Quickborn 1915 (Sammlung: Jörg Penning)
Kolonistenhäuser am Himmelmoor, Quickborn ca. 1914 (Sammlung K. Heinrich)
Kolonistenhäuder mit Baracken, Quickborn ca. 1914 (Sammlung K. Heinrich)
Himmelmoorstraße, Quickborn

In der Landgemeinde Quickborn wurden bereits in der Zeit des Ersten Weltkrieges Gefangene in der Torfindustrie eingesetzt. Am Rande des Himmelmoors auf dem späteren Gelände des Außenstraflagers der Justizvollzugsanstalt Neumünster bzw. Rendsburg wurde im Winter 1914/15 ein Barackenlager für Kriegsgefangene errichtet, die bei der Regulierung der Pinnau, der Urbarmachung des Himmelmoors und in der Torffabrik eingesetzt wurden.[1] Die ursprünglich 600 bis 700 dort inhaftierten Belgier wurden am 20. Oktober 1915 durch 1.000 Russen ersetzt.[2] Bereits damals waren sechs der Kriegsgefangenen in Quickborn verstorben.[3]

Mitte der 1920er Jahre wurden erneut Gefangene zur Arbeit im Himmelmoor herangezogen. Das Torfwerk Hausbach III ließ für die Torfgewinnung fast alle Arbeiter durch Strafgefangene ersetzten.[4] Die Gefangenen kamen zunächst aus der Strafanstalt Neumünster und später aus der Vollzugsanstalt Rendsburg. Für sie wurde in der heutigen Himmelmoorstraße ein Außenstraflager eingerichtet, das anfangs bis zu 60 männliche Strafgefangene aufnehmen konnte. Vertraglich wurde zwischen dem Geschäftsführer des Torfwerks, Carl Hornung, und der Justizverwaltung vereinbart, dass das Torfwerk die Räumlichkeiten für die sichere Unterbringung der Gefangenen und der Aufsichtsbeamten zur Verfügung stellt und hierfür die Arbeitskraft der Gefangenen zur Torfgewinnung und Landkultivierung gegen ein Tageslohn von 1,00 RM nutzen konnte. Zusätzlich konnten Fleißprämien in Form von Zusatznahrungsmitteln vergeben werden. Die täglichen Arbeitszeiten betrugen je nach Jahreszeit acht bis zehn Stunden. Die Strafgefangenen waren möglichst getrennt von den anderen Arbeitern zu halten. Auf 15 Gefangene kamen in der Regel ein Aufsichtsbeamter. Es konnten auch Arbeiter als Arbeitsaufseher der Häftlinge verpflichtet werden.[5]

Zu den Gefangenen zählte der in der Bundesrepublik angesehene surrealistische Zeichner und Maler Friedrich Schröder-Sonnenstern.[6] Er kam nach seinen Erinnerungen aufgrund einer Verunglimpfung der nationalsozialistischen Bewegung ins Gefängnis und gelangte vermutlich Anfang der 1940er Jahre ins Außenstraflager Himmelmoor. Über diese Zeit schrieb er in einer Rückschau: „Man steckte mich bei Himmelsmoor in ein Straflager. Die Ernährung ist unmenschlich, die Arbeit auch. An einem heißen Tag lege ich mich in ein Torfloch und trinke das giftige Moorwasser. Ich werde todkrank und komme in ein Krankenhaus in Hamburg.“ [7]

Spätestens im Jahr 1943 wurden im Außenstraflager im Himmelmoor ausschließlich Gefangene des sogenannten „Polenstrafvollzugs“ eingesetzt. Die Vollzugsanstalt Rendsburg strebte an, alle geeigneten polnischen Gefangenen diesem Außenlager zuzuführen. Dass das Arbeitskräftepotenzial mit einer inzwischen erweiterten Belegung von 65 Gefangenen zum Leidwesen der Justizverwaltung nicht dauerhaft ausgeschöpft werden konnte – die Durchschnittsbelegung des Außenstraflagers schwankte im ersten Halbjahr 1943 zwischen 36 und 56 Gefangenen -, wurde u.a. damit begründet, dass Arbeitgeber strafbare Handlungen ihrer polnischen Arbeiter nicht mehr zur Anzeige bringen, um ihre Arbeitskräfte nicht zu verlieren.[8]

Eine Flucht eines polnischen Gefangenen mit unbekannten Ausgang ist in den Quellen hinterlegt: Am 30. April 1943 entwich der erst seit zwei Tagen im Himmelmoor eingesetzte Wladislaus Malec während der Torfarbeiten. Er arbeitete in einer Kolonne bestehend aus elf Gefangenen, aus der er sich plötzlich entfernte. Auch der Vorarbeiter und Aufseher konnte den Flüchtenden mit einem Schuss aus seinem Gewehr nicht zum Stoppen bringen. Längeres Absuchen des Moores und die Benachrichtigung umliegender Polizeidienststellen blieben ebenfalls erfolglos. Der Vorarbeiter und Aufseher Kasimir Dlugost  sah sich nach der Flucht mit dem Vorwurf der Fahrlässigkeit konfrontiert und wurde als Aufseher abgesetzt.[9] Infolge der Untersuchung der Flucht kam heraus, dass er 1941 von dem Sondergericht Bielefeld aufgrund verschiedener Äußerungen gegen die Nationalsozialisten wegen Verstoßes gegen das „Heimtückegesetz“ zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden war.[10] Die Vollzugsanstalt Rendsburg schrieb nach Kenntnisnahme der Verurteilung am 28. Juni 1943 an das Torfwerk Hausbach III: „Der Vorarbeiter Kasimir Dlugost ist, wie mir heute bekannt geworden ist, mit Zuchthaus vorbestraft. Er kann daher zur Beaufsichtigung von Strafgefangenen keine Verwendung finden.[11] War es vielleicht doch die politische Vorgeschichte des Aufsehers, die die Flucht des Wladislaus Malec begünstigte?

Zeitweilig wurden im Außenstraflager auch Gefangene aus Norwegen und anderen Ländern inhaftiert.[12] Die Dolmetscherin Hiltgunt Zassenhaus, die mit einem norwegischen Pastor das Lager besuchte, erinnerte sich in ihrem Erlebnisbericht an die Gefangenen (siehe Quelle). Bei den von ihr erwähnten norwegischen Gefangenen handelte es sich vermutlich um einige der etwa 10.000 nach Deutschland verschleppten „Nacht- und Nebel-Gefangenen“ (NN-Gefangene), die nach dem Überfall der Wehrmacht auf Norwegen als vermeintliche Gegner der deutschen Besatzung festgenommen wurden.[13]

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg waren im Außenstraflager Himmelmoor  Gefangene, die im Torfabbau eingesetzt waren, untergebracht. Diesmal jedoch kamen die bis zu 40 Strafgefangenen aus dem Zuchthaus Fuhlsbüttel. Am 31. Oktober 1970 wurde das „Außenkommando Himmelmoor“ u.a. wegen der mangelhaften sanitären Ausstattung geschlossen.[14]

Veröffentlicht von Jörg Penning am

Ein Hinweis zu “Außenstraflager der Justizvollzugsanstalt Rendsburg”

  1. Clemens sagt:

    Moin Jörg, es gibt ein kleines neues Büchlein:
    Kriegsgefangenen-Arbeitskommando 1416. Ein vernachlässigtes und verdrängtes Kapitel der Quickborner Geschichte – Eine Dokumentation
    ISBN: 9783869353579 (ISBN-10: 3869353570), Seiten: 88, Verlag: Steve-Holger Ludwig, Erschienen: 2019

    LG Clemens/Hasloh

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