Rudi Saß

Dieses Foto zeigt vermutlich Rudi Saß, hier bei einem fotografischen Geburtstagsgruß an eine Bekannte, ca. 1931 (Quelle: Sammlung Birgit Voss)
Stolperstein Rudi Saß
Verlegung mit Gunter Demnig am 03.06.2013
Stolperstein Rudi Saß
Stolpersteinverlegung für Rudi Saß
17. März 1942
Königstraße 29, Barmstedt

Rudolf Saß wurde am 16. Juli 1912 als Sohn des Musikers Rudolf Joachim Saß und dessen Frau Martha Katharine Marie Saß in Barmstedt geboren.

Unter Anleitung seines Vaters erhielt Rudolf Geigen- und Klavierunterricht. Nach Aussagen von Zeitzeugen war Rudolf ein begabter Musiker. Bekannt ist, dass der Vater des öfteren mit seinen Söhnen in dem Saallokal Waldschlösschen in der Gärtnerstraße Konzerte gab.

Rudolf, von der Familie und in der Nachbarschaft auch Rudi genannt, war nicht nur ein guter Musiker sondern auch ein leidenschaftlicher Fotograf.

Er hatte eine Vorliebe für Landschaftsfotografie. Aber wenn z. B. in der Nachbarschaft Familienfeiern stattfanden, so Zeitzeugen, wurde Rudi gebeten dort auch zu fotografieren.

Aus der Krankenakte der Landesheil- und Pflegeanstalt Schleswig-Stadtfeld geht hervor, dass Rudi dort am 18. Januar 1935 aufgenommen wurde. Nach Aussage seinen Vaters litt Rudi seit einer Nervenoperation,die sein Astma- Leiden beenden sollte unter öfter auftretenden starken Kopfschmerzen. Er wurde deshalb auch von einer Heilpraktikerin aus Barmstedt behandelt. Nachdem die Behandlungen nicht erfolgreich verliefen, entschieden sich die Eltern Rudi in die Landesheil- und Pflegeanstalt nach Schleswig zu geben, in der Hoffnung, ihm würde dort geholfen.

Die Ärzte aus Schleswig waren der Meinung Rudi sei Schizophren. Eine Begründung für diese Diagnose ist aber in seiner Krankenakte nicht vorhanden. Aus unzähligen Briefen des Vaters an die Leitung der Heilanstalt Stadtfeld geht hervor, dass sich sein gesundheitlicher Zustand durch den Aufenthalt in Schleswig nicht verbessert hat, so dass die Eltern Rudi wieder nach Barmstedt zurück haben wollten.

Der Rückkehr Rudi´s nach Hause wurde von den Ärzten nur unter der Auflage zugestimmt, dass Rudi nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” vom 14. Juli 1933 erst einmal sterilisiert werden muss.

Nach der Sterilisationsoperation und weiteren unzähligen Briefen des Vaters wurde Rudi dann endlich am 27. November 1937 entlassen und hielt sich sich für nur fünf Tage bei seinen Eltern in Barmstedt auf. Laut Krankenakte wurde er dann wieder in der Heilanstalt aufgenommen. Dort blieb er erst einmal bis zum 15. August 1939.

Danach war er auf Drängen des Vaters gegen den Willen der Ärzte wieder für eine kurze Zeit in Barmstedt und wurde am 28. Oktober 1939 erneut in die Landesheil- und Pflegeanstalt Schleswig-Stadtfeld eingewiesen.

Im September 1939 überfiel die deutsche Wehrmacht Polen und damit begann der 2. Weltkrieg. Gebraucht für den Kriegseinsatz wurden jetzt Lazaretträume, Krankenbetten, Ärzte, Pflegepersonal, Nahrungsmittel, Medikamente, Verbandsmaterial und auch Brennstoffe.

Durch systematische Vernachlässigung der Patienten, Unterlassen medizinischer Hilfeleistung, Verabreichung von tödlich wirkender Medizin oder Giftspritze wurden so psychisch Kranke ermordet.

Die Verpflegung in den Heil und Pflegeanstalten wurden durch eine Verordnung vom 20. September 1939 auf 41 Pfennig pro Kopf und Tag gesenkt. Die „Hungerkost” wurde auf eine fettarme bzw. völlig fettlose Kost umgestellt. Die Nahrung bestand nur noch aus Weißkraut, Rüben und Kartoffeln. Dies hatte ein schnelles Abmagern durch starke Durchfälle zur Folge, an denen auch Rudolph Sass litt.

Aus Statistiken die Ernst Klee in seinem Buch „Euthanasie im Dritten Reich” veröffentlich hat, geht hervor das die Sterberaten in den psychiatrischen Einrichtungen und Anstalten sprunghaft anstiegen. In den Schleswiger Einrichtungen z.B. verdoppelte sich die Sterberate von 1936 zu 1942. Außerdem stellt Klee fest, dass die Sterberaten in den Wintermonaten durch das Einsparen an Heizmaterial besonders hoch waren.

In einer Abhandlung von Peter Schwarz über Euthanasie und Mord durch Hunger heißt es: „Wichtig scheint mir auch, auf den Zusammenhang zwischen Unterernährung und Infektionskrankheiten hinzuweisen. Was Hermann Arnold in seinem Aufsatz „Hunger” über die Wechselbeziehungen zwischen Tuberkulose und Hunger aussagt, kann auch auf andere Infektionskrankheiten übertragen werden: „Hungernde Menschen sind in extrem hohem Maße der Tuberkulose ausgeliefert und Tuberkulosekranke, die chronisch hungern, dem baldigen Tode.”

So erging es auch Rudolph Saß: Geschwächt durch Nahrungsmittelkürzungen, Personalreduktion in der Anstalt und Heizungseinsparungen im Winter 1941/1942 starb Rudi am 17.3.1942 in der Landesheil- und Pflegeanstalt Schleswig an offener Lungentuberkulose.

Text: Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine Barmstedt

Veröffentlicht von Kai-Thilo Trebstein am

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