Kriegsvorbereitung und Auswirkungen des Luftkrieges in Quickborn

Eisenbahnflak am Elsensee, März 1942 (Sammlung: Jörg Penning)
Aufnahme nahe der Eisenbahnflak am Elsensee, März 1942 (Sammlung: Jörg Penning)
Schemenhaft zu erkennen: Eisenbahnflak am Elsensee, März 1942 (Sammlung: Jörg Penning)
"Weil sie Deutsche waren" - verklärende Opferzuschreibung des Gauleiters Hinrich Lohse (Holsteiner Nachrichten, 06.03.1943)
Frühzeitige Vorbereitung auf den Luftkrieg - Werbeanzeige für den Verkauf von Verdunkelungs-Rollos (Pinneberger Tageblatt, 16.09.1938)
"Die Polizei kommt zu Pfundigs!" Luftschutzaufklärung als Karikatur (Pinneberger Tageblatt, 07.02.1940)
28. März 1942
Schienentrasse, Quickborn

Die Nationalsozialisten bereiteten die Bevölkerung bereits sehr frühzeitig auf den nächsten Krieg vor. Die Weiterentwicklung der Kriegstechnologie wies hierbei einem Luftkrieg einer besonderen Bedeutung zu. Schon drei Monate nach der Machtübernahme, im Juni 1933 und damit sechs Jahre vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurde im Lichtspielhaus ein „Aufklärungsfilm über Luft- und Gasschutz“ vorgeführt. In einer Presseankündigung wurde der Film wie folgt angekündigt:

Der Film zeigt die große Gefahr, der wir in allen Gebieten des Deutschen Reiches im Falle eines Krieges durch feindliche Flugzeuge ausgesetzt sind. Während sämtliche Staaten um Deutschland herum sich in der Nachkriegszeit durch die Luftflotte eine starke Kriegsgefahr geschaffen haben, ist Deutschland nach dieser Richtung hin völlig wehrlos. Das deutsche Volk ist auf einen erfolgreichen Abwehrkampf angewiesen und ist bemüht, den privaten Luftschutz zu organisieren und auszubauen, der unbedingt notwendig und von ganz besonderer Bedeutung für die Sicherung der Bevölkerung ist …[1]

Wenige Monate später übernahm ein SA-Pioniersturm den „Luft- und Gasschutz“ in Quickborn.[2] Einen größeren organisatorischen Rahmen des Luftschutzes wurde im nächsten Jahr geschaffen. Unter dem Titel „Luftschutz tut not!“ berichtete die Heimatpresse von der Gründung einer Ortsgruppe des „Reichsluftschutzbundes“ am 22. März 1934.[3] Aufgebaut war dieser in Anlehnung an die Struktur der NSDAP-Ortsgruppen in Blöcken, denen jeweils Blockwarte vorstanden.[4] Die Aufgabe des Reichsluftschutzbundes bestand darin, die „Luftschutzbereitschaft“ der Bevölkerung zu stärken,[5] aber auch diese zu kontrollieren.[6] Zu den Luftschutzmaßnahmen zählte der Umbau von Kellern oder baulichen Anlagen zu Luftschutzräumen. Das amtliche Kreisblatt berichtete bereits Ende 1933 über die finanzielle Förderung dieser Einbauten durch das Deutsche Reich.[7] Aber auch die Entsorgung von möglichen Brandgefahren auf den Dachböden („entrümpeln“) gehörten zu diesen Maßnahmen und wurden 1937 in der „Dritten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz“ festgehalten und bei Nichtbeachtung mit Strafe belegt.[8]

Die Gründung eines Flieger-Stützpunktes Anfang 1935 in Quickborn hatte nicht nur den Hintergrund, durch den Bau von Flugzeugmodellen und eines Segelfliegers die Jugend für die Fliegerei zu begeistern.[9] Vielmehr wurde dieser auch von der NSDAP-Ortsgruppe unterstützt, die auf einer Tagung der Politischen Leiter darauf hinwies, „dass das Flugzeug die Waffe der Zukunft sei“, dem das „allergrößte Interesse entgegengebracht werden müsse“.[10]

Nach dem deutschen Überfall auf Polen und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges spitzten sich die Luftschutzmaßnahmen immer weiter zu. So waren bis zum 15. Mai 1940 alle Keller als behelfsmäßige Luftschutzräume herzurichten. Hierzu gehörte die Bereitstellung von Gefäßen mit Wasser und Sand sowie die Anfertigung von Feuerpatschen, um durch Fliegerangriffe verursachte Brände zu bekämpfen.[11]

Ein besonderes Augenmerk galt der Verdunkelung der Häuser und Wohnungen. Um den gegnerischen Kampffliegern keine Orientierung und Angriffsziele zu bieten, mussten Fenster mit lichtdichten Rollos, Verdunkelungspapier oder anderen Materialien versehen werden. Mitglieder des örtlichen Reichsluftschutzbundes, aber auch der NSDAP-Ortsgruppe kontrollieren diese Verdunkelungen. Die Lokalzeitung berichtete hierzu:

Gerade in den letzten Nächten wurden bei zwei Anwohnern der Adolf-Hitler-Straße nach 23 Uhr hell erleuchtete Fenster beobachtet. In einem Fall wurde die ordnungsmäßige Warnung des zuständigen Luftschutzwartes mit ungehörigen Reden abgetan. Welches Unheil kann unter Umständen durch die Schuld solcher verantwortungsloser Volksgenossen über unser Ort hereinbrechen. Die Täter sind zur Anzeige gebracht worden.[12]

Woanders hieß es drohend: „Sollte bei der Kontrolle [der Verdunkelungsmaßnahmen, d. Verf.] auch nur schlechte Verdunkelung festgestellt werden, so wird ohne Nachsicht dem betreffenden Haus auf 8 Tage der Strom entzogen, außerdem kann eine Geldstrafe verhängt werden.“[13]

Die Quickborner Ortspolizei nahm ab September 1940 102 Anzeigen wegen „Vergehen gegen die Verdunkelungsverordnung“ auf, die teilweise von Mitgliedern der NSDAP-Ortsgruppe gemeldet wurden.[14]

Von kriegerischen Kampfhandlungen blieb Quickborn weitgehend verschont. Die Kampfflieger der Royal Air Force, die über den Ort in Richtung Hamburg flogen, nahmen die Quickborner eher als Zuschauer wahr (siehe Quelle unten). Die Bomben, die auf dem Areal der Landgemeinde einschlugen, waren vermutlich eher Notabwürfe von gegnerischen Fliegern, die vom Boden durch die Flak oder in der Luft durch Abwehrjäger beschossen wurden. Sie fielen überwiegend auf unbesiedelte Flächen, sodass es zu größeren Personenschäden nicht gekommen war.

Bombenabwürfe über Quickborn[15]
Bombeneinschlagsbereiche Bombenanzahl Schäden
Grenzbereich Quickborn-Renzel / Borsteler Wohld 9 Bomben keine bekannt
Quickborn-Renzel, nahe der Pinnau 4 Bomben keine bekannt
Quickborn-Renzel, Borsteler Wohld 4 Bomben keine bekannt
Quickborn-Renzel, im Bereich des Himmelmoors 4 Bomben keine bekannt
im Bereich des „Ellerauer Berges“ (heute Kleingartensiedlung an der Ellerauer Straße) mehrere Bomben keine bekannt
Harksheider Weg Brandbomben Hausbrand
zwischen der Kieler Straße und dem Bahnhof Quickborn-Süd 2 Bomben keine bekannt
in der Nähe des Prophetensees 1 Bomben Beschädigung des Verkehrsweges
im Bereich der Talstraße mehrere Bomben keine bekannt
südliches Quickborn-Heide 3 Brandbomben keine Schäden
im Bereich der Friedrichsgaber Straße, nahe des Grandweges mehrere Bomben Gebäudeschäden

Anders verhielt es sich hingegen bei den Angriffen der Tiefflieger, die zum Kriegsende zunahmen. Im April 1945 verstarben in Quickborn vier Personen durch Tieffliegerbeschuss.[16] Noch wenige Tage vor Kriegsende kam es zu einem weiteren Tieffliegerangriff mit tödlichem Ausgang. Am 2. Mai 1945 beschoss ein gegnerischer Flieger nahe der damaligen Eisenbahnstation Elsensee einen Güterzug, der in Richtung Hasloh fuhr, und traf hierbei den Lokführer.[17]

Zur Abwehr der gegnerischen Flieger setzte die Luftwaffe Flak-Stellungen ein. Eine bewegliche Flakstellung befand sich auf den mehrgleisigen Schienen an der ehemaligen Pflanzenbutterfabrik am Elsensee (siehe Fotos). Für diese wurde 1942 eigens ein „Luftwaffenanschlussgleis“ fertiggestellt.[18] Eine weitere Flak befand sich an den damaligen Funktürmen in der Nähe des Himmelmoors.[19]

Damit nachts die Flaks ihre Ziele anvisieren konnten, wurden Flak-Scheinwerfer aufgestellt. Einer dieser Scheinwerfer befand sich in der nähe der Eisenbahn-Flak am Elisenhof.[20] Für die Bedienung dieses Gerätes setzte man zeitweise Schüler als Luftwaffenhelfer ein.[21] Zeitweise waren dieses Mittelschüler aus Husum, die neben ihrer Tätigkeit als Luftwaffenhelfer in Quickborn zur Schule gingen.[22] Weitere Flak-Scheinwerfer befanden sich bei einem Landwirt im Harksheider Weg und in Quickborn-Heide nahe der Ulzburger Landstraße. Hier befand sich zudem eine Wehrmachtbaracke für ca. 10 bis 15 Soldaten sowie eine Radar-Anlage.[23]

In den Grenzbereichen zu den Nachbargemeinden kam es zu Flugzeugabstürzen: Ein angeschossener Bomber überflog Quickborn-Renzel und stürzte in Tangstedt in der Feldmark ab. Drei Neuseeländer verstarben hierbei.[24] Ein weiterer Kampfflieger stürzte am 12. Mai 1941 am Ortsrand von Quickborn in Friedrichsgabe ab (siehe Spuren-Verweis unten). Der letzte Absturz erfolgte am 30. März 1945. Ein deutsches Kampfflugzeug, das mit anderen Abwehrfliegern ein auf Hamburg zufliegendes Bombergeschwader angriff, wurde über dem Himmelmoor abgeschossen.[25]

Das Kriegsgeschehen machte sich in Quickborn vor allem durch den massiven Zustrom von ausgebombten Hamburgern bemerkbar, der vor allem nach den Flächenbombardements im Rahmen der „Operation Gomorrha“ zwischen dem 25. Juli und dem 3. August 1943 einsetzte. Viele Hamburger suchten hier Schutz und eine neue Bleibe.

Wenige Tage nach diesen Bombardierungen wurden die Hamburger durch die NSDAP propagandistisch in Empfang genommen: Eine große Veranstaltung der NSDAP-Ortsgruppe Quickborn mit den „Hamburger Gästen[26] demonstriere laut dem Redakteur der Holsteiner Nachrichten die „Festigkeit der Heimatfront“. Die Versammelten haben zu verstehen gegeben, dass sie „trotz des Terrors, zu jedem Kampf bereit, fest bei dem Hakenkreuzbanner stehen und stehen bleiben werden.“[27] NSDAP-Kreisleiter Sievers machte auf der Veranstaltung deutlich, wem er die Schuld an dem Krieg zuschrieb und machte Hoffnung auf die Zukunft. Die Presse berichtete:

Der Kreisleiter verglich noch einmal die Zeit vor 1933 mit den Jahren nach der Machtübernahme bis 1939. Immer wieder kommt dabei klar zu Tage, welche Zeit des Aufstieges unter Adolf Hitler begonnen hat, bis das Judentum uns 1939 von dem begonnenem großem Schaffen abbrachte und das Schwert in die Hand drückte. Aber nach dem Siege wird von Neuem begonnen, sagte der Kreisleiter, die zerstörten Städte und Dörfer werden in kürzester Zeit größer und schöner aufgebaut werden. Das große Werk des Führers wird dann fortgesetzt.“[28]

Die 1.701 Fliegergeschädigten und Evakuierten[29] blieben im Ort zum großen Teil keine „Hamburger Gäste“, sondern ließen sich dauerhaft in Quickborn nieder.

 

 

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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