Gliederung:
1) Biografisches über Hermann Neuenburg
Hermann Jochim Neuenburg wurde am 21. März 1883 in Uetersen geboren. Seine Eltern waren Johann Neuenburg und Sophie Jakobine geb. Bätje; sie wohnten im Kleinen Sand. Am 18. Mai wurde er zu Hause getauft[1]. – An diesem Tag haben die Eltern auch geheiratet. – Hermann wuchs mit zwei Brüdern und einer deutlich jüngeren Schwester auf[2]. 1885 und 1887 wohnte die Familie im Katzhagen, 1896 in der Deichstraße. Hermann wurde 1898 konfirmiert.
Hermann Neuenburg heiratete am 3. August 1907 Helene Margareta geb. Brandt; die kirchliche Trauung fand im Pastorat statt. Die Braut war „Dienstmädchen“ und wurde am 5. Juli 1886 in Uetersen geboren[3] und 1900 konfirmiert. Sein Beruf ist mit „Maurer“ angegeben[4].
Hermann Neuenburg wohnte lt. Adressbuch 1904 in der Deichstr. 19 bei den Eltern; er ist „Maurergeselle“[5]. 1913 wohnen die Eheleute Neuenburg dann im Kleinen Sand[6]. Im Adressbuch 1918 ist als Adresse „Kleiner Sand 97“ genannt und er ist „Geschäftsführer“[7]. In anderen Quellen wird er auch als „Kohlenhändler“ bezeichnet.
Zwei Söhne wurden den Eheleuten Neuenburg geboren: 1. Werner Johann Detlef (*03.04.1913, †11.04.1913[8]) und 2. Herbert Johannes (*12.07.1918, †18.07.1941 – gefallen)[9].
Der Vater Johann Neuenburg starb am 11. Dezember 1930 in Uetersen im Alter von 69 Jahren und wurde auf dem Neuen Friedhof beigesetzt[10].
Am 28. Februar 1934 erfolgte der Umzug nach Altona-Blankenese, Schenefelder Str. 114 (heute: Schenefelder Landstr.)[11]. – Neuenburg hatte seine Firma in Uetersen verkauft und beteiligte sich an der Firma „Alster-Beton“ in Hamburg[12]. Die Gewerbeabmeldung für die Kohlen- und Baumaterialienhandlung erfolgte am 31. Dezember 1933[13]. – Bereits ab dem 4. Dezember 1933 bis zum 18. Januar 1934 befand er sich in Untersuchungshaft in Altona[14].
Die Mutter Sophie Neuenburg geb. Bätje starb am 3. März 1947 im Bleekerstift im Alter von 83 Jahren und wurde auf dem Neuen Friedhof beigesetzt. Sie wurde als „Witwe aus Blankenese“ bezeichnet[15].
Hermann Jochim Neuenburg starb am 28. Dezember 1952 in Hamburg im Alter von 69 Jahren. Er wurde am 31. Dezember nach einer Trauerfeier in der Kapelle auf dem Neuen Friedhof beerdigt[16]. Als Beruf ist „Bauführer“ angegeben.
2) Ehrenamtliche Tätigkeit von Neuenburg in der Kommunalpolitik[17]
Hermann Neuenburg gehörte erstmals am 26. Oktober 1912 der Stadtverordneten-Versammlung an[18], denn am 7. Oktober 1912 fand eine Ersatzwahl für einen verstorbenen Stadtverordneten statt[19]. Die Bürgervereine hatten den Zimmerermeister Henry Kölln aufgestellt und für ihn mit einer Anzeige in der örtlichen Presse geworben. Für die SPD kandidierte Neuenburg. Er erhielt 158 Stimmen, Kölln 131 und Adolf Schwarz 2 Stimmen. In der Presse wurde anschließend die „Wahlflauheit“ der Bürgerschaft kritisiert[20]. – Hermann Neuenburg war damit der erste Sozialdemokrat in der Stadtverordneten-Versammlung von Uetersen.
Bei der Gemeindewahl am 2. März 1919 stand er auf Platz 1 der SPD-Liste. Die SPD erzielte 14 von 24 Mandaten. In der konstituierenden Sitzung am 7. März 1919 wurde Neuenburg zum Stadtverordnetenvorsteher gewählt.
Am 3. Juni 1919 fanden Stadtratswahlen für zwei Plätze im Magistrat statt. Neben Neuenburg kandidierte auch Ernst Fritzsche, beide wurden gewählt und am 20. Juni 1919 in ihr Amt eingeführt[21], die ersten beiden sozialdemokratischen Magistratsmitglieder. – Es ist nicht überliefert, ob die beiden Gewählten ihre beiden Mandate ausübten oder ob sie auf das Amt des Stadtverordneten verzichteten. – Die Vorschrift, wonach Stadtverordnete nicht gleichzeitig Mitglieder des Magistrats sein können, war 1919 aufgehoben worden[22].
Bei der Gemeindewahl am 4. Mai 1924 stand Neuenburg gar nicht auf der Liste. – Jedoch erfolgte am 7. August 1927 seine Direktwahl zum Stadtrat[23].
Bei der Gemeindewahl am 17. November 1929 wurde er wieder zum Stadtverordneten gewählt; er stand auf Platz 6 der SPD-Liste[24].
Nachdem Neuenburg Ende 1929 – wieder – in den Magistrat gewählt wurde, verzichtete er Anfang 1930 auf sein Mandat als Stadtverordneter, so dass jemand nachberufen werden konnte.
Am 30. April 1930 wurde Neuenburg als Nachfolger von Wellenbrink zum Beigeordneten (= 1. Stellvertretender Bürgermeister) der Stadt Uetersen gewählt[25].
Auch bei der Gemeindewahl am 12. März 1933 wurde er wieder zum Stadtverordneten gewählt; er stand auf Platz 3 der SPD-Liste[26]. Der SPD stand jetzt nur noch ein Sitz im Magistrat zu; vorgeschlagen wurde Hermann Neuenburg und am 18. Mai 1933 auch wiedergewählt. Der kommissarische Bürgermeister beantragte jedoch beim Landrat, Neuenburg nicht zu bestätigen[27].
3) Methode der Nazis, Neuenburg aus dem Amt zu entfernen
Aus dem Schreiben des Magistrats (I.) vom 30. Mai 1933 an den Landrat in Pinneberg sei zitiert[28]:
„… Kohlenhändler Hermann Neuenburg ist reichlich 2 Jahrzehnte bereits Mitglied der städtischen Körperschaften. Zunächst war er jahrelang Stadtverordneter, inzwischen auch Stadtrat und von 1930 bis März 1933 Beigeordneter unserer Stadt. Politisch gehört er der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an. Bei der Neuwahl des Stadtverordnetenkollegiums am 12. März 1933 wurde er wieder als Stadtverordneter gewählt. Z. Zt. schwebt ein Untersuchungsverfahren gegen ihn wegen seiner Tätigkeit als Vorsitzender Allgemeinen Ortskrankenkasse Uetersen. Dieses Amt soll er zur Erlangung geschäftlicher Vorteile ausgenutzt haben. Als Magistratsmitglied war er Vorsitzender der städtischen Hoch- und Tiefbaukommission. Neben den Kohlenhandel betrieb er auch einen Handel mit Baumaterialien. Inhaber von Konkurrenzunternehmen haben ihm den Vorwurf gemacht, dass er auch diese Amtsstellung zur Erlangung geschäftlicher Vorteile missbraucht hat. Die bisher auf solche Klagen hin vorgenommenen Untersuchungen haben ein positives Ergebnis nicht gehabt. Vielleicht werden Untersuchungen in anderer Richtung noch ein richtiges Bild ergeben. …
Neuenburg bitten wir nicht zu bestätigen. Eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm ist unmöglich. Bürgermeister Wellenbrink und er haben sich durch ihre parteiisch einseitige und selbstherrliche zusammen ausgeübte amtliche Tätigkeit jedes Vertrauen bei der national denkenden Einwohnerschaft verloren. Würden beide oder auch nur einer von ihnen in den Magistrat zurückkehren, so würde man das nicht verstehen. Es würde ein Sturm der Entrüstung ausgelöst werden, der unliebsame Folgen haben könnte. Man würde bestimmt nichts unversucht lassen, Neuenburg wieder aus dem Magistrat zu entfernen, sei es auch durch Anwendung von Gewalt.“
Ob Neuenburg auch tatsächlich nicht bestätigt wurde, ist nicht überliefert.
Durch die „Verordnung zur Sicherung der Staatsführung“ vom 7. Juli 1933 (RGBl. S. 462) ist die Zuteilung von Sitzen auf Wahlvorschläge der SPD für die Vertretungskörperschaften für unwirksam erklärt worden. Mit Schreiben vom 7. August 1933 teilte der Magistrat ihm mit, dass das Mandat als Stadtverordneter erloschen sei[29].
Gegen Hermann Neuenburg wurde 1933 von der Oberstaatsanwaltschaft in Altona wegen versuchten Betruges ermittelt,[30] das Verfahren wurde eingestellt. „Wenn auch davon ausgegangen wird, dass der Beschuldigte Ende Januar und Anfang Februar 1933 2.000 Steine von Schinkel in Empfang genommen hat und diese erst im September nach Vorlage der Rechnung bezahlt hat, so war ihm dennoch eine Betrugsabsicht nicht nachzuweisen“[31].
In der Anklageschrift vom 10. Januar 1934[32] (Verfahren Nr. 8533) wurde er beschuldigt, in Heidgraben im März 1932 fremde bewegliche Sachen, nämlich 35 Meter Steinzeugröhren, einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, sie sich rechtswidrig anzueignen.
In der Anklageschrift vom 14. Februar 1934[33] (Verfahren Nr. 8511) wurde er beschuldigt, gemeinsam mit August Kronberg in den Jahren 1932 oder 1933 gemeinschaftlich handelnd durch drei selbstständige Handlungen
a) eine Urkunde, die sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu bestimmten Ort befand, vorsätzlich beiseitegeschafft zu haben, indem sie dem Belegheft der AOK Uetersen die Rechnung des Waffenhändlers Pohlmann in Uetersen vom 13. Januar 1932 (Beleg Nr. 372) entnehmen und beiseite schafft,
b) als Bevollmächtige über eine Förderung ihrer Auftraggeberin absichtlich zu deren Nachteil verfügt haben, indem sie als Vorsitzender bzw. als Geschäftsführer der AOK Uetersen dem Waffenhändler Pohlmann in Uetersen eine Forderung wegen Lieferung einer Pistole an die AOK auf seine Beitragszahlungen anrechneten, obwohl die Bestellung der Pistole der Genehmigung durch den Vorstand der AOK entbehrte und somit unbefugt erfolgte,
c) in rechtswidriger Absicht eine Privaturkunde, die zum Beweise von Rechten und Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit war, fälschlich angefertigt und von derselben zum Zwecke einer Täuschung in der Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, Gebrauch gemacht zu haben, indem sie eine Rechnung von Pollmann-Kurzenmoor fälschlich anfertigten und anstelle der Rechnung von Pohlmann-Uetersen in das Belegheft der AOK Uetersen einhefteten.
Die Hauptverhandlungen fanden am 7. Mai 1934 vor der Großen Strafkammer II in Altona statt. Im Verfahren Nr. 8533 (Diebstahl) wurde Neuenburg freigesprochen[34], beantragt waren 3 Monate Gefängnis. Im Verfahren Nr. 8511 (Urkundenfälschung) wurde er ebenfalls freigesprochen, beantragt waren 9 Monate Gefängnisstrafe unter Anrechnung der U-Haft[35].
Ergebnis: Aktenkundig sind drei Ermittlungsverfahren gegen Hermann Neuenburg. Ein Verfahren wurde Ende 1933 eingestellt und in den beiden anderen Verfahren wurde er im Mai 1934 freigesprochen.
In dieser Zeit saß Neuenburg mehrere Wochen in Untersuchungshaft. Noch vor Ende der Prozesse verließ die Familie Neuenburg Uetersen. Die Firma war bereits Ende Dezember 1933 erloschen. Da es auch keine direkten Nachkommen gibt, konnte er in Uetersen in Vergessenheit geraten.
Das Schreiben des kommissarischen Bürgermeisters Bauth ist erhellend: es wird so lange ermittelt bis sich irgendetwas findet. Übrigens kannten sich Bauth und Neuenburg bereits seit 1912, denn Bauth war schon bereits Stadtverordneter.
Erhard Vogt, Juli 2024