Der Stolperstein für Hermann Hinrichs
HIER WOHNTE
HERMANN HINRICHS
JG. 1878
VERHAFTET AUG. 1944
NEUENGAMME
ERMORDET 18.11.1944
Hermann Hinrichs, geb. am 8. März 1878 starb am 18. Nov. 1944 im KZ Neuengamme. Er wurde Opfer der sog. „Aktion Gewitter“, bei der die Nationalsozialisten in einer willkürlichen Racheaktion beliebige Gewerkschafter und Sozialdemokraten verhafteten und in Konzentrationslager brachten.
Hermann Hinrichs war in seinem aktiven Berufsleben Sozialdemokrat und Gewerkschaftsfunktionär. Für ihn wurde in Quickborn vor seinem letzten selbstgewählten Wohnhaus ein Stolperstein verlegt:
(Die Biographie Hermann Hinrichs sowie die Kapitel „Aktion Gewitter“ und „KZ Neuengamme“ wurden von Schülerinnen und Schülern der Heinrich-Hertz-Realschule Quickborn erarbeitet.)
Hermann Hinrichs Geboren: 8. März 1878, gestorben: 18. November 1944
Familie: Ehefrau Emma, drei Söhne Willy, Alfred und Emil und diverse Enkel
Mitglied der SPD vor 1933
Sozialdemokrat und Gewerkschaftsfunktionär Hermann Hinrichs wurde am 22. August 1944 im Rahmen der „Aktion Gewitter“ in Quickborn-Heide verhaftet, auch wenn er kein aktueller Staatsfeind war. Er engagierte sich im Siedlerverein Quickborn–Heide, in dem er sich als Schriftwart zur Verfügung stellte und beteiligte sich am gesellschaftlichen Leben der Dorfgemeinschaft Quickborn. Trotz alledem kam er ins Elmshorner Gefängnis und später ins KZ Neuengamme.
Als einer von sieben Geschwistern verlebte er seine Kindheit und den Großteil seines Erwachsenenlebens auf einem Bauernhof in Dithmarschen. Bereits dort engagierte er sich gesellschaftlich als Mitglied der SPD. Die Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 hatte u.a. zur Folge, dass die junge Demokratie der Weimarer Republik abgeschafft wurde. Außerdem wurden im Laufe der Zeit alle demokratischen Parteien verdrängt, Gewerkschaften verboten und die Presse gleichgeschaltet – also: Das Recht auf freie Meinungsäußerung abgeschafft. Deutschland befand sich unter diktatorischer Herrschaft, für einen Mann wie Hermann Hinrichs ein unerträglicher Zustand.
Der Nationalsozialismus erklärte all diejenigen zum Staatsfeind, die aufgrund ihres Glaubens, ihrer Rasse oder Herkunft sowie ihrer politischen Überzeugung nicht ins Staatsbild passten. Auch diejenigen gerieten ins Visier der allgegenwärtigen Staatsmacht, die wegen „regimekritischer Äußerungen“ nicht am neuen, gleichgeschalteten Leben teilnehmen konnten oder wollten. Und solche „Staatsfeinde“ galt es in dieser Zeit zu beseitigen. Als sich nun auch in Dithmarschen der Nationalsozialismus ausbreitete, zog Hinrichs nach Altona. Aufgrund seiner freiheitlichen Überzeugungen, die er auch dort nicht verbergen konnte, flüchtete er erneut, indem er nach Quickborn-Heide zog.
Hermann Hinrichs, der bei seiner Verhaftung 66 Jahre alt war, starb im KZ – Neuengamme. Wie bei so vielen Opfern lautete auch bei ihm die Begründung seines Sterbens von offizieller Seite: Herzversagen. Nach seinem Tod wurde er eingeäschert und somit jede Möglichkeit der Aufklärung seines Leidens und Sterbens beseitigt. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er im KZ ermordet wurde oder an den Folgen unmenschlicher Behandlung starb.
Folgende Tatsachen lassen dies vermuten: 1. Er hatte nie Probleme mit seinem Herzen, so seine Familie. 2. Ein paar Wochen nach seinem Tod wurde seine Frau von einem Mithäftling aufgesucht, der die letzten Grüße von Hermann Hinrichs überbringen sollte. Nach seiner Aussage war Hermann Hinrichs sterbenskrank. Wahrscheinlich komme das von den unmenschlichen Bedingungen im KZ.
Seine Urne wurde am 23. Januar 1945 auf dem Quickborner Nordfriedhof beigesetzt. An der Beerdigung durften seine Söhne kriegsbedingt nicht teilnehmen. Hermann Hinrichs wurde 1957 auf dem Hauptfriedhof Altona, dem Familiengrab, noch einmal beigesetzt.
Seine Ehefrau erinnerte sich in der Nachkriegszeit: „Mein Mann wurde abends acht Uhr verhaftet. Polizei mit Rad war hier und hat meinen Mann gleich mitgenommen. Der Polizist war allein hier. Er sollte nach Elmshorn mitkommen, da sagte mein Mann gleich; dann komme ich ja heute Abend gar nicht mehr zurück. Ich habe immer auf meinen Mann gewartet. Er kam aber nicht. (…) Auf einem kleinen Zettel hat mein Mann geschrieben, dass ich zum Bürgermeister und zum Ortsgruppenleiter gehen sollte, um ein Leumundszeugnis zu holen, denn er nähme an, dass gegen ihn nichts vorliegt. (…) Nach diesem Schreiben bin ich zu beiden hingewesen, ich habe aber keins erhalten.“
Dieses Zitat beweist, dass seine Ehefrau versuchte, Hermann Hinrichs ausfindig zu machen. Selbst der Amtsvorsteher versuchte, sich durch Eingaben für Hinrichs einzusetzen: „Ich war mit Hermann Hinrichs inzwischen gut bekannt geworden und schätze ihn als einen ordentlichen und harmlosen Menschen, der im vorgerückten Alter nur für die Verschönerung seines Gartengrundstückes zu leben schien. Er sprach deshalb mehrfach bei mir auf dem Amtsbüro vor und hatte u.a. auch mal seinen Werdegang in der Gewerkschaftsbewegung erzählt. Ich hielt deshalb die Vergeltungsverhaftung dieses harmlosen Menschen für einen großen Fehler.“
Einer seiner Enkel erzählte, dass es ihm nicht bekannt war, dass Hermann Hinrichs nach 1933 irgendwelche Kontakte zu aktiven Nazigegnern hatte. Er sollte das Nazisystem jedoch scharf abgelehnt haben. Er nahm also gegenüber denjenigen, denen er vertraute, kein „Blatt vor dem Mund“. Und das, obwohl er wusste, dass Kritiker am System schwer bestraft wurden und es auch lebensgefährlich war – gerade zum Ende der Nazizeit.