Etwas unscheinbar steht ein Denkmal auf dem alten Kirchfriedhof nahe der Bahnhofstraße, das an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges erinnert. Es zeigt ein Kreuz und die Inschrift „Den Gefallenen 1914 – 1920„.[1] Zu sehen ist zudem ein Relief mit einem Soldaten mit gepackten Tornister, der sich über Frau und Kind beugt. Allen Anschein nach handelt es sich um eine Verabschiedung: Wehmütig zieht der Soldat in den Krieg, ein Wiedersehen mit der Familie ist ungewiss.
Angeregt wurde das Denkmal 1921 von dem Kampfgenossen- und Kriegerverein, der eine Denkmalkommission gründete und unter den Bürgern Geld für die Errichtung sammelte. Die Kirche stellte das Grundstück auf der Südseite des Kirchfriedhofs zur Verfügung und die Gemeinde Quickborn verpflichtete sich, die laufende Pflege zu übernehmen.[2] Mit der Ausführung wurde der Steinmetz P. Ruhmann aus Altona beauftragt.[3] Die Wahl des Standortes ergab sich vermutlich aufgrund des Bezugs zum nahegelegenen Oberlisken in Erinnerung an die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges von 1870/71. Darüber hinaus wird, wie andernorts auch, die räumliche Nähe zur Kirche eine Rolle gespielt haben, erhielt hierduch der „Heldentod“ doch einen göttlichen Sinn.[4]
Am 18. Juni 1922 wurde das Denkmal „zur Ehrung der im Weltkriege gefallenen Helden“ eingeweiht.[5] Wie aus der Berichterstattung der Lokalpresse zur Einweihung des Denkmals hervorgeht, war es nicht als Mahnmal gegen den Krieg gedacht. Vielmehr war mit der Aufstellung der Gedanke verbunden, den aus Machtinteressen provozierten Soldatentod vieler Quickborner eine höhere, sich auf das „Vaterland“ berufende Rechtfertigung zu geben und damit die Zweifel der Überlebenden an der Sinnhaftigkeit des Krieges zu zerstreuen. Die Lokalpresse berichtete: „Die Weiherede hielt Herr Rektor Festing. In markigen Worten gedachte er der Gefallenen, indem er darauf hinwies, wie bei dieser Feier Trauer und Wehmut, aber zugleich auch Stolz unsere Brust erfülle. Das Ehrenmal soll uns eine Mahnung sein, der in treuer Pflichterfüllung Gefallenen nachzuahmen, wenn es gilt für das Vaterland einzutreten.“ [6] Dass im weiteren Verlauf der Rede Rektor Festing, der 1921 für die bürgerliche Sammelliste „Vaterland“ in den Kreistag gewählt wurde,[7] zukünftig nicht mit der Waffe, sondern mit dem Wort „unser widriges Geschick“ zu bekämpfen empfahl, war hierbei sicherlich eine Konzession an die kriegsmüde Gesellschaft der Nachkriegszeit.
Das Kriegerdenkmal stand nach der Errichtung vor allem während der jährlichen Volkstrauertage im Mittelpunkt. Obligatorisch war der vorherige Gottesdienstbesuch. Pastor Burmester sprach hier über den „Sinn des Sterbens so vielen jungen kostbaren Blutes“ [8] und stimmte seine Gemeinde ein, dem nationalen Pathos zu folgen. Die Presse vermerkte: „Er wies auf die 160 in unserem Pfarrbezirk im Weltkrieg gefallenen Helden hin und beantwortete die beiden Fragen: ‚Was haben sie uns gegeben?‘ und ‚Was fordern sie von uns?‘ – Sie gaben für uns das Höchste: Ihr Leben , ihr Herzblut. Sie fordern von uns ‚Treue um Treue‘, gleiche Hingabe an Volk und Vaterland. Nur dann kann es wieder aufwärts gehen.“ [9]
Am Gedenkstein selbst äußerten sich anschließend Vertreter aus dem Bürgertum und verkündeten ihre Version der Gründe des verlorenen Krieges. In einer besonders drastischen Weise äußerte sich am Volkstrauertag im März 1925 Reimer Martens, Ortsvorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP)[10] und Mitglied des Kampfgenossen- und Kriegervereins,[11] hierzu:“Er geißelte mit scharfen Worten die Verräter und Kriegsgewinnler, die um schnöden Gewinn ihr Vaterland verrieten und den Hungernden das Brot nahmen, um es ins Ausland zu verschieben, die Hochverräter, die planmäßig das deutsche Volk verzagt machten und die Krieger veranlassten ihren Fahneneid zu brechen und die Waffen von sich zu werfen. Und diese Hochverräter setzen sich nachher selbst an die gefüllten Krippen. Im Strome der Zeit ist viel Frust und Leid hinweggespült. Aber heute steht das deutsche Volk an den Kriegsdenkmälern und trauert um seine Lieben. (…) Wenn einer der Gefallenen zu uns reden könnte, so würde er sagen: Was trauert und zagt ihr? Wir taten nur unsere Pflicht. Aber drohend würde er seine Faust erheben und den Hochverrätern fluchen. Sie können nicht mehr reden, aber diese Steine reden eine gewaltige Sprache. Hier scheiden sich die Geister. Wer unschuldig ist an dem Unglück des Vaterlandes, mag jederzeit hinzutreten und der Gefallenen und lebenden Helden gedenken, wer aber schuldig ist, der möge an diesem Stein seinen Judassohn von sich werfen und bekennen: Ich habe übel getan, dass ich unschuldig Blut verraten habe, wenn er dadurch seine Schuld sühnen kann.“ [12]
Außerhalb des jährlichen Volkstrauertages suchten bürgerliche Organisationen wie der Jungdeutsche Orden, der Jungbauernbund und die Quickborner Turnerschaft das Denkmal auf, um bei öffentlichen Anlässen mit der Gefallenenehrung an die „vaterländische“ Gesinnung ihrer Mitglieder zu appellieren.[13]
Mit der Gründung der NSDAP-Ortsgruppe Quickborn wurde das Denkmal auch von den Nationalsozialisten besucht. Sie gedachten am 9. November den bei der Niederschlagung des Hitler-Putsches von 1923 verstorbenen Nationalsozialisten.[14] Mit der Niederlegung eines mit Hakenkreusschleifen verzierten Kranzes am Gefallenendenkmal sollte eine ideelle Verbindung von nationalsozialistischen Putschisten und verstorbenen Weltkriegssoldaten konstruiert werden.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten von 1933 geriet das Denkmal vollends in das Blickfeld der nationalen Überhöhung. Sowohl zum 9. November als auch zum nun als „Heldengedenktag“ bezeichneten Volkstrauertag am fünften Sonntag vor Ostern diente das Denkmal als Anlaufstelle für die NSDAP und ihre Formationen. Durch die Ausgestaltung dieser nationalen Feiertage mit Ehrenposten, Fackeln, Spalieren, Sprechchören und Kranzablegungen nahm der Denkmalsplatz den Charakter einer kultischen Weihestätte an (siehe hierzu die zeitgenössische Presseberichterstattung unten). Neu hinzu kam ab 1939 das Gedenken an die für „Führer, Volk und Vaterland“ Gefallenen des Zweiten Weltkrieges, für die „Ehrentafeln“ angelegt wurden, die heute nicht mehr vorhanden sind.[15] Letztmalig gedachten hier im März 1945 Wehrmacht, NSDAP und Volkssturm am „Heldengedenktag“ der für „Deutschlands Freiheit Gefallenen„, bevor ungefähr sechs Wochen später die Kapitulation erfolgte.[16]
Nach Kriegsende beschloss der Kirchenvorstand auf seiner ersten Sitzung am 11. Juli 1945 die Hakenkreuzschleifen an dem Gefallenendenkmal zu entfernen, die allen Anschein nach bis zu diesem Zeitpunkt dort noch zu sehen waren.[17] Später wurde das Denkmal um einem weiteren Stein in Erinnerung an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges ergänzt.