Kirchensstraße 4, Elmshorn
Borgfelder Str. 24, Hamburg bei Dyhrenfurth
Georg Rosenberg, geb. 9.6.1886 in Elmshorn Haft Nov./Dez. 1938 KZ Sachsenhausen
deportiert am 12.2.1943 über Berlin nach Auschwitz
Georg Rosenberg wurde am 9. Juni 1886 in Elmshorn in der Kirchenstraße 4 geboren. Seine Eltern waren Alexander Rosenberg und Amalie, geb. Fürstenberg. Sie gehörten der israelitischen Gemeinde an. Das Wohnhaus lag im Zentrum von Elmshorn, einen Steinwurf von der St. Nikolai Kirche entfernt.
Kirchenstraße 4, 25335 Elmshorn
Peterstraße 28, 25335 Elmshorn
Alexander Rosenberg hatte am 1. September 1883 am Markt in Elmshorn ein Ladengeschäft für Papierwaren eröffnet. Dieses expandierte bald zu einem Papierwarengroßhandel, den er von der Kirchenstraße 4 aus betrieb.
Die Großmutter von Jürgen Wohlenberg, des Verfassers dieses Artikels, arbeitete vom 1. November 1891 bis zum 30. April 1902 als Dienstmädchen bei der Familie Rosenberg. Bei ihrer Heirat mit Johannes Wohlenberg im selben Jahr wurde sie von den Rosenbergs mit einer
kompletten Aussteuer beschenkt.
Alexander Rosenberg war Bürger der Stadt Elmshorn und ein angesehenes Mitglied der israelitischen Gemeinde. Er gehörte dem Elmshorner Männer-Turnverein an, den er nach 1933 wegen seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinde verlassen musste.
Die Rosenbergs bekamen am 16. August 1889 einen zweiten Sohn, Friedrich, genannt Fritz. Beide Jungen besuchten das örtliche Gymnasium, die Bismarckschule. Georg heiratete am 8. Juni 1909 Gerda Mendel, die Tochter einer sehr angesehenen jüdischen Elmshorner Familie. Sie bekamen zwei Kinder, Gunther am 1. November 1910 und Edel Ellen am 28. Dezember 1912. Georg war bereits 1906 (lt. Adressbuch der Stadt Elmshorn) als Kaufmann im Geschäft seines Vaters geführt. Vielleicht war das ein Grund, dass sein Bruder Friedrich bereits 1913 mit der „Graf von Waldersee“ in die USA auswanderte. Als Adresse gab er bei seiner Einwanderung auf Ellis Island seinen Cousin Jacob in der Nassau Street in Manhattan an. Friedrich starb (lt. Ancestry.com) im April 1975 in San Antonio, Texas, USA. Alle Bemühungen, Nachkommen in den Staaten zu finden, waren erfolglos.
Die Ehe von Georg und Gerda Rosenberg war nicht von langer Dauer, sie wurde am 25. Februar 1920 geschieden. (Lt. Scheidungsurteil wurde) Georg [wurde] schuldig gesprochen, da das Gericht ein Verhältnis mit seiner späteren zweiten Frau, Irma S., als Scheidungsgrund wertete. Die Tatsache der Scheidung und dass der Scheidungsgrund eine Christin war, dürften ursächlich für den Selbstmord der Mutter kurze Zeit später gewesen sein. Der Vater starb am 12. März 1927 im städtischen Altenheim. Das Grab der beiden ist auf dem jüdischen Friedhof in Elmshorn bis heute erhalten.
Die geschiedene Gerda, die (lt. Scheidungsurteil jetzt) fortan den Namen Rosenberg-Mendel tragen durfte, zog mit ihren Kindern in die Holstenstraße 10 in Elmshorn, wo sie (. Lt. Adressbuch arbeitete) sie als Hand- und Fußpflegerin[arbeitete], während ihr Sohn Gunther als Messe-Steward gemeldet war. Gerda Rosenberg-Mendel intensivierte ihre Gesangs- und Musikstudien und gab Gesangsunterricht. Ihr Lebenslauf ist in dem Online Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS Zeit der Universität Hamburg veröffentlicht (www.lexm.uni-hamburg.de ). Sie übersiedelte 1937 nach Hamburg, nachdem Gunther Rosenberg schon 1936 dorthin gezogen war, und konnte im Juni 1939 zu ihrer Tochter nach England auswandern. Gunther emigrierte im November des Jahres nach Schanghai.
Georg und Irma Rosenberg heirateten am 8. November 1921. Für beide begann danach eine erfolgreiche Zeit, die jedoch nicht lange dauerte. Sie vergrößerten das Geschäft des Vaters, in dem sie u.a. das Gebäude Kirchenstraße 10 hinzu kauften. Am 1. September 1923 beging die Firma Rosenberg ihr 40jähriges Jubiläum. In der „Elmshorner Zeitung“ erschien zu dem Datum ein größerer Artikel, in dem die Großzügigkeit und das Mäzenatentum der Firma für Sport und Kultur der Stadt Elmshorn herausgestrichen wurden. Die Zeitung schrieb von „praktischer Vaterlandsliebe“.
Schon wenig später wendete sich jedoch das Blatt. Scheidung, Beginn der Hyperinflation Anfang der 20er Jahre und einige Steuervergehen führten schließlich zum Konkurs des Papiergroßhandels. Georg Rosenberg wurde zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe wegen Konkursvergehens verurteilt, die jedoch in eine Bewährungsstrafe umgewandelt wurde. Das Grundstück Kirchenstraße 4 wurde im April 1926 zwangsversteigert. Weitere Immobilien musste er verkaufen, andere hatte er schon vor dem Konkurs an seine erste Ehefrau und die beiden Kinder überschrieben.
Die Eheleute (Georg und Irma) Rosenberg zogen nach dem Verlust des Wohnhauses nur einige 100 Meter weiter in eine Mietswohnung in der Peterstraße 28. Irma R. betrieb dort wie auch in der Haupteinkaufsstraße, der Königstraße, ein Handarbeitsgeschäft. Das Geschäft war sehr bekannt und bestand in der Königstraße bis weit in die 70er Jahre. Es wurde zuletzt von dem Sohn Gunther betrieben
Georg Rosenberg half im Geschäft seiner Frau mit und arbeitete außerdem als Handelsvertreter u. a. für eine Elmshorner Margarinefabrik. Für die beiden wurde es nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 neben den wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch politisch sehr viel schwieriger. Bei der großen Boykottaktion der Nazis am 1. April 1933 gegen jüdische Geschäfte wurde der Laden von Irma Rosenberg von SA-Posten belagert und als jüdisches Geschäft gebrandmarkt. Erst die „freiwillige“ Schließung ließ den SA-Mob abziehen.
Wie schwierig die Situation für jüdische Bürger geworden war, zeigt auch die nachfolgende Begebenheit, die als Gerichtsakte im Landesarchiv Schleswig-Holstein in Schleswig verwahrt wird. Georg Rosenberg war 1936, wie schon des Öfteren, als Handelsvertreter nach Wyk auf Föhr gereist. Er wohnte, wie immer, im Strandhotel bei Frau P. Dort wurde er in den Morgenstunden von einem SA-Mann, dem Sohn der Hotelbesitzerin, und einem weiteren SA-Mann aus dem Hotel geprügelt und dann durch den halben Ort verfolgt. Nachdem Georg Rosenberg die beiden angezeigt hatte, warfen sie ihm vor, den dortigen Kolonialwarenhändler betrogen zu haben. Dafür gab es aber keine Beweise. Georg Rosenberg war sogar in seiner Anzeige bereit, diese zurückzuziehen, wenn die beiden Täter für die Winterhilfe spendeten und seine zusätzlichen Kosten übernehmen würden.
Das Verfahren wurde eingestellt, nachdem aus Elmshorn das polizeiliche Führungszeugnis eingetroffen war. Dieses begann mit den Worten: “Der Kaufmann Georg Rosenberg, wohnhaft in Elmshorn, Peterstraße 28 ist Jude. Der Ruf des Rosenberg ist kein guter.“ Das Schreiben endete: „Im übrigen kann gesagt werden, dass man es bei Rosenberg mit einem typischen Juden mit typisch jüdischem Charakter und Einstellung zu tun hat.“
In dem Führungszeugnis der Elmshorner Polizei wurden auch Irma Rosenberg nebulöse Betrugsvorwürfe gemacht, die jedoch ihrem Mann angelastet wurden. Im November 1938 gehörte Georg Rosenberg zu den Opfern der Reichspogromnacht. Er wurde verhaftet, in das KZ Sachsenhausen verbracht und am 23. Dezember, wie viele andere, aus der Haft entlassen. Die Entlassung war üblicherweise mit der Auflage verbunden, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das Reichsgebiet zu verlassen. Für Auswanderungspläne Georg Rosenbergs gibt es keine Anhaltspunkte. Er traf am 24. Dezember 1938 in Elmshorn bei seiner Frau in der Peterstraße ein, aber diese ließ ihn nicht mehr in die Wohnung. Die Ehe war zerrüttet.
Ob es der nationalsozialistische Verfolgungsdruck war oder die Tatsache, dass im Juli 1934 ein Karl S. in das Haus Peterstraße 28 einzog, wissen wir nicht, jedenfalls trennte sich Irma Rosenberg von ihrem Mann. Er suchte Hilfe bei der jüdischen Gemeinde und fand Zuflucht bei einem Gemeindemitglied, der Familie des Lederfabrikanten Oppenheim am Flamweg. Der Sohn Rudi Oppenheim, der als 11-jähriger im Februar 1939 mit seiner Familie aus Deutschland flüchtete und heute (2012) mit seiner Familie in den USA lebt, bestätigte dies anlässlich eines Besuches in seiner Heimatstadt.
Edel Ellen Rosenberg, die Tochter von Georg Rosenberg aus erster Ehe, ging als erste aus der Familie nach Hamburg und emigrierte auch als erste. Sie lebte als Haustochter bei Hermine Danziger, geb. Rosenberg, in der Behnstraße. Ob es sich dabei um eine Verwandte handelte, ließ sich nicht ermitteln. Edel Rosenberg verließ Deutschland bereits 1934 mit dem Ziel London, wo sie später ein Fußpflegeinstitut aufbaute.
Das nächste Lebenszeichen von Georg findet sich im Juli 1939 in den „Elmshorner Nachrichten mit der Meldung, dass er wegen des Besitzes von 452,16 Reichsmark verhaftet und der Gestapo übergeben wäre. Er habe das Geld in jüdisch-devisenschieberischer Weise in dem Futter seiner rechten Hosenklappe versteckt.
Welche Konsequenzen dieser Tatbestand hatte, ist nicht bekannt. Georg Rosenberg zog im August 1939 nach Hamburg. Erst ein Jahr später meldete sich Georg Rosenberg beim Jüdischen Religionsverband an und wurde im Juli 1940 beitragspflichtig. Über seine Beweggründe für den Umzug wissen wir nichts. Sicherlich war seine Situation in Elmshorn nach der Flucht der Oppenheims sehr schwierig geworden. Ein Unterschlupf in der doch recht kleinen Stadt Elmshorn war wohl nicht mehr möglich.
Noch war er nicht geschieden und wohnte zunächst zur Untermiete in der Borgfelder Straße 24 bei Mathilde Dyhrenfurth (s. Stolpersteinbroschüre Hamburg-Borgfelde). Offenbar hatte er als Händler ein geringes Einkommen, das jedoch wegfiel, als er 1941 erkrankte er und erwerbslos wurde. Die jüdische Reichsvereinigung stellte ihn daraufhin von der Beitragspflicht frei. Zu dieser Zeit gab Mathilde Dyhrenfurth die Wohnung auf, und Georg Rosenberg zog in die Eimsbütteler Chaussee 45 zu Josef Mayer, der jedoch bereits am 8. November mit seiner Familie nach Minks deportiert wurde.
Nach acht Jahren der Trennung wurde die Ehe von Irma und Georg Rosenberg am 5. Juni 1942 geschieden. Bis dahin hatte die Verbindung als „privilegiert“ gegolten, was einen gewissen Schutz vor Verfolgung, insbesondere vor einer Deportation, bot. Dieser fiel nun weg.
Irma Rosenberg nahm ihren Mädchennamen wieder an und heiratete später Karl S.
Im Zuge der Wohnungszwangsmaßnahmen der Gestapo wurde Georg Rosenberg am 6. Oktober 1942 durch die jüdische Gemeinde in der Beneckestraße 2, ihren eigenen Gemeinderäumen, die nun als „Judenhaus“ dienten, untergebracht.
(Die Beneckestraße gibt es heute nicht mehr. Sie liegt auf dem heutigen Gelände der Universität Hamburg. Diese Adresse war sicherlich nicht mehr selbst bestimmt.)
Georg Rosenberg, inzwischen 56 Jahre alt, wurde zum 12. Februar zum Transport über Berlin „nach dem Osten“ aufgerufen. Es handelte sich um einen kleinen Transport von 22 Hamburger Juden und Jüdinnen, von denen allein zehn aus der Beneckestraße 2 kamen. Sie waren im Alter von sechs bis 60 Jahren. Zu ihnen gehörte auch ein Mitarbeiter der jüdischen Gemeinde mit seiner Familie, Martin Starke, der als einziger diese Deportation, die nach Auschwitz führte, überlebte. Nur bei dreien gab die Gestapo eine Berufsbezeichnung an, darunter Georg Rosenberg mit „Händler“.
Ein Datum von Georg Rosenbergs Ermordung in Auschwitz konnte nicht ermittelt werden. Er wurde in Elmshorn in der Kirchenstraße 4, in der er und seine Familie über 40 Jahre gelebt haben, mit einem Stolperstein geehrt.
Paten für den Stolperstein für Georg Rosenberg sind Jürgen Wohlenberg und Hans-Joachim Wohlenberg sowie Mark Seeland, Thorben Walter und Anna Zier von der Kooperativen Gesamtschule Elmshorn (KGSE) der heutigen Erich Kästner Gesamtschule.
Inschrift:
HIER WOHNTE
GEORG ROSENBERG
JG. 1886
VERHAFTET 1939
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN AUSCHWITZ
Quellen:
Stadtarchiv Elmshorn, Personenstandsregister;
Amtsgericht Elmshorn, Grundbuchamt;
Landesarchiv Schleswig-Holstein/Schleswig;
Staatsarchiv Hamburg, 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 b Kultussteuerkartei; 992 e 2 Band 5; 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 8590;
Archiv Auschwitz;
Ellis Island, Einwanderungsunterlagen;
Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen; ITS Bad Arolsen; Kirschninck, H.,
Kirschninck, Harald: Juden in Elmshorn. Teil I. Diskriminierung, Verfolgung, Vernichtung. in: Stadt Elmshorn (Hrsg.): Beiträge zur Elmshorner Geschichte, Band 9. Elmshorn 1996.
Ancestry.com.
Meine Frau, Tochter der Holocaust-Überlebenden Hertha Heyms, und ich haben dieses Haus von 1998 – 2002 bewohnt. Wiederholt haben wir unseren Vermieter, derzeitiger Eigentümer des Hauses, Herr Dr. Kühl, auf die Geschichte des Hauses hin befragt, allerdings ohne weiteren Informationsgewinn. Hat Georg Rosenberg das Haus bauen lassen, oder war der Bauherr schon sein Vater Alexander? Und wer hat sich an der sogenannten Versteigerung bereichert? War das schon der Vater des jetzigen Eigentümers?
Vielleicht können Sie Antworten? Ich danke Ihnen im voraus. Mit lieben Grüßen, Gotthard Stolle
Sehr geehrter Herr Stolle, das Haus in der Kirchenstraße 4 wurde von dem Vater von Georg Rosenberg, Alexander gebaut. Georg, wie auch sein Bruder Friedrich, wurden wohl in dem Haus geboren. 1923 feierte die Firma in den Räumen ihr 40 jähriges Jubiläum. Der Konkurs und die anschließende Zwangsversteigerung des Hauses in der Kirchenstraße 4 im Jahre 1926 hatte sicherlich nichts mit der jüdischen Abstammung von Georg R. zu tun, sondern hing wohl ursächlich mit den Folgen der Scheidung 1920 und der Wirtschaftskrise Ende der 20er Jahre in Deutschland zu tun. Bei Einsicht des Grundbuches aus dem Zeitpunkt konnte man nichts entnehmen, dass eine Bereicherung erkennen ließ. Der Verfolgungsdruck für Georg Rosenberg, der letztlich mit seiner Ermordung endete, begann erst nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Wohlenberg