Bei Führungen über den (Neuen) Friedhof werden auch immer die vorhandenen Kriegsgräber besucht. Dabei fällt der Gedenkstein für „27 Sowjet-Bürger“ auf, der die Inschrift trägt: „Hier ruhen 27 Sowjet-Bürger die in Gefangenschaft der Faschisten in 1941-1945 starben“.
Wie ist man auf die Zahl „27“ gekommen?
Auf dem Friedhof finden sich heute unter den „Soldatengräbern“ fünf Gräber sowjetischer Bürger[1]und unter den „Kriegsgräbern verschiedener Nationalitäten, hauptsächlich von Zwangsarbeitern“ sind es 14 Gräber sowjetischer Bürger[2]Vgl. „Übersicht über die Kriegsgräber verschiedener Nationalitäten auf dem (Neuen) Friedhof in Uetersen, hauptsächlich von Zwangsarbeitern“.– insgesamt also nur 19 Gräber, so dass acht Tote zu erklären sind.
Wann wurde der Gedenkstein für die toten Sowjet-Bürger geschaffen?
Die Schaffung des Gedenksteins ist im Schreiben des Kreises Pinneberg vom 18. Juni 1965 an die Stadt Uetersen vorgeschlagen worden. „Auf der Sammelanlage der 27 Russengräber wäre ein Gedenkstein mit Inschrift zu setzen“[3]Schreiben des Kreises Pinneberg vom 18. Juni 1965 an die Stadt Uetersen, in: Akte 893 im Archiv der Kirchengemeinde Uetersen (kurz: Kirchenarchiv).. Es darf davon ausgegangen werden, dass der Gedenkstein 1965 oder später in Auftrag gegeben wurde. Unterlagen darüber sind weder im Rathaus[4]noch im Kirchenarchiv überliefert.
Welche Quellen gibt es, um die Zahl „27“ nachweisen zu können?
Nachstehende Quellen sind vorhanden:
Wie lässt sich die Differenz zwischen tatsächlich vorhandenen Gräbern und der Gräberliste 1948 erklären?
Im Reihengrab (RG) 36 hat es nach der „Chronologie“ des Friedhofes[11]Chronologisches Register für die Beerdigungen auf dem Neuen Friedhof vom 14. Januar 1902 bis zum 23. Juni 1959 in der Friedhofsverwaltung Uetersen (Kurzform: Chronologie).fünf Beisetzungen von Kindern gegeben[12]Walia Kaslowa, Irma Rubeschewa, Wladimar Kuschmiruk, eine Totgeburt Kozak und Cäcilia Matuszak (poln. Nationalität); vgl. Chronologie.; die Anzahl deckt sich mit der Gräberliste 1945[13]. Im RG 30 hat es nach der Chronologie und der Gräberliste 1945 zwei Beisetzungen gegeben, zum einen Wera Sidorowa (entspricht dem Grabstein) und zum anderen ein kleines Kind ein Jahr später[14]Valentin Sadoroshnaja. – Zwischenergebnis: Für fünf Tote (Namen s.u. in den Fußnoten 12 und 14) existieren die Gräber noch; es hat für sie jedoch noch nie einen Grabstein gegeben.
Nach der Chronologie ist der 7 Monate alte Michail Krotow 1945 im Kinder-RG 42 beigesetzt worden; dieses Grab besteht nicht mehr. Die Toten Johann Lis und Iwan Kowalenko sind nach dem 8. Mai 1945 verstorben; ihre Gräber (RG 68 + 72) fallen nicht unter dem Schutz von Ziffer 9 des Gräbergesetzes[15]. – Ergebnis: Mit diesen drei weiteren Namen ist nun das Schicksal der Grabstätten aller acht Toter endgültig geklärt.
Welche Konsequenzen können sich aus dieser Feststellung ergeben?
Man könnte auf einer Stele oder Tafel als Ergänzung zum Gedenkstein die Zahl „27“ erklären und die Namen derer benennen, die nie einen Grabstein erhalten haben. Eine Initiative dazu ist bereits mit Schreiben vom 5. April 2022 gegenüber dem Bürgermeister der Stadt Uetersen angeregt.
Mögen sich Krieg und Gewaltherrschaft nie mehr wiederholen.