Die Entlassung des Bürgermeisters Willi Bahde 1941

Hof Bahde in der Quickborner Straße, 1912 (Foto: Sammlung Eckhard Wallmann)
3. September 1941
Quickborner Straße 118, Friedrichsgabe / Norderstedt

In der Quickborner Straße Nr. 118 befand sich der landwirtschaftliche Betrieb der Familie Bahde.[1] Willi Bahde hatte den Erbhof mit insgesamt ca. 34 Hektar von seinem Vater übernommen. Von den politischen Zielen des Nationalsozialismus überzeugt, schloss er sich der NSDAP an und wurde am 1. Dezember 1931 mit der Mitglieds-Nr. 774.809 in die Partei aufgenommen.[2]

Im Jahr 1934 übernahm Willi Bahde das ehrenamtliche Bürgermeisteramt in der Gemeinde Friedrichsgabe,[3] in der in diesem Zeitraum 1041 Einwohner in 292 Haushalten lebten.[4] Die Personalentscheidung des vakanten Bürgermeisterpostens traf Landrat Duvigneau und fiel auf Zustimmung des NSDAP-Kreisleiters Ferdinand Schramm, nicht jedoch auf die des NSDAP-Ortsgruppenleiters Karl Lührs.[5] Lührs war nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten stellvertretender Bürgermeister geworden[6] und hätte auch sicherlich im Rahmen der 1934 anstehenden Neubesetzung des Bürgermeisteramtes diese Funktion gerne vollständig übernommen. Vermutlich kam Lührs hier nicht zum Zuge, da ihn die Kreisleitung hierzu nicht als befähigt ansah. In einer internen Beurteilung vermerkte 1933 die Kreisleitung über ihren Ortsgruppenleiter: „Ist für grössere Aufgaben, die Weitsicht und Klugheit erfordern, ungeeignet.“ [7]

Neben seinem Bürgermeisteramt war Willi Bahde in Friedrichsgabe auch Ortsbauernführer. In dieser Funktion hatte er u.a. die Aufgabe, in seinem Zuständigkeitsbereich Versammlungen der Landwirte einzuberufen und über den Einsatz und die Verhaltensmaßregeln im Umgang mit ausländischen Zwangsarbeitern zu informieren, die in der Kriegszeit in der Landwirtschaft eingesetzt waren. Hierzu gehörte die Unterrichtung, dass der „fremdrassische“ Zwangsarbeiter zu den Mahlzeiten von einer Tischgemeinschaft auszuschließen und er nachts in gesonderten Schlafräumen unterzubringen sei. Wie viele andere Landwirte, die aus ihrer Betriebserfahrung wussten, dass eine positive Arbeitsleistung nur mit einem Mindestmaß an guten Umgangsformen zu erreichen war, hielt auch Willi Bahde trotz Parteizugehörigkeit sich nicht an diese Vorgaben. Einen bei ihm beschäftigten Polen ließ er zeitweise mit den anderen Familienangehörigen des Hofes in der Küche essen und stellte ihm einen Schlafraum zur Verfügung, in dem auch ein deutscher Knecht untergebracht war.

Während einer Überprüfung der privaten Unterbringungen von Zwangsarbeitern, belog Willi Bahde den kommissarischen Geschäftsführer der Kreisleitung und auch den NSDAP-Ortsgruppenleiter. Er gab an, dass der polnische Arbeiter alleine in der Schlafkammer nächtige, während der deutsche Landarbeiter nach der Arbeit bei seiner Familie unterkomme, und dass getrennt gegessen werde. Lührs entdeckte in den Aussagen von Bahde Unstimmmigkeiten, die durch die Aussagen des bei Bahde beschäftigten deutschen Landarbeiters bekräftigt wurden, und fertigte einen Bericht an. Von dem Bericht alarmiert, suchte Willi Bahde die NSDAP-Kreisleitung in Pinneberg auf und bot eine größere Geldspende für die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt an, um größeren Schaden abzuwehren, was ihm jedoch nicht gelang. Das NSDAP-Parteikreisgericht schloss Willi Bahde am 24. Mai 1941 aus der Partei aus: „Obwohl durch den Kreisleiter wie auch durch den Ortsgruppenleiter die Bauern immer wieder dringend darauf hingewiesen wurden, dass sie gegenüber ihren polnischen Arbeitern strengste Zurückhaltung zu bewahren hätten, hat der Angeschuldigte, seinen ihm zugeteilten Polen am gemeinsamen Essen in der Küche teilnehmen und ausserdem mit einem 16-jährigen deutschen Landarbeiter in der gleichen Kammer zusammen schlafen lassen. (…) Das ganze Verhalten des Angeschuldigten beweist, dass er gar nicht daran dachte, den Anordnungen der Partei und des Staates über die Behandlung der polnischen Hilfskräfte nachzukommen. Er wusste, dass auch andere Bauern des Dorfes sich nicht darum kümmerten, in der Meinung, dass die Polen bei schlechter Behandlung weniger arbeiten würden. Indem der Angeschuldigte als Ortsbauernführer und Bürgermeister, obwohl er für die allgemeine Durchführung der Anordnung der Ortsgruppe veranstwortlich war, selbst nicht nur die verbotene Tischgemeinschaft mit dem Polen pflegte, sondern auch seinen jungen deutschen Arbeiter zwang, mit dem Polen engste Wohn- und Schlafgemeinschaft zu halten, hat er aufs gröbste jede Disziplin verletzt und durch sein Verhalten die Partei schwer geschädigt.[8]

Gegen seinen Ausschluss aus der NSDAP legte Willi Bahde gegenüber dem NSDAP-Gaugericht in Kiel Berufung ein. Er führte an, dass er die Unwahrheiten gegenüber dem kommissarischen Geschäftsführer der Kreisleitung und dem Ortsgruppenleiter infolge einer „Nervenüberspannung“, hervorgerufen durch seine vielen Ämter, getätigt habe. Von der Tischgemeinschaft sei der bei ihm beschäftigte Pole umgehend ausgeschlossen worden, nachdem die entsprechende Verordnung hierzu veröffentlicht wurde. Lediglich als nasses und kaltes Wetter einsetzte, habe man den Polen getrennt an einer Torfkiste mit dem Rücken abgewandt vom Rest der Hofgemeinschaft in der Küche seine Mahlzeit einnehmen lassen. Eine räumliche Trennung der Schlafplätze sei mangels Räumlichkeiten nicht möglich, jedoch Umbaumaßnahmen geplant gewesen. Allgemein gab Bahde zu, den Anordnungen, nach denen die größte Zurückhaltung gegenüber den „Fremdvölkischen“ zu üben sei, nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet zu habem: „Hätte ich aber gewusst, dass von Seiten der Partei ein so strenger Masstab angelegt würde, wie mir vom Vorsitzenden des Kreisgerichts erklärt wurde, hätte ich ihn [den Polen, d. Verf.] im Viehstall seine Mahlzeiten einnehmen lassen.[9] Um zu zeigen, dass die Familie ansonsten keinen größeren Kontakt zu den Polen gehabt habe, äußerte er: „Ausdrücklichst bemerke ich, dass der deutsche Arbeitnehmer Familienanschluss hatte und im Rahmen meiner Familie des Abends im geheizten Zimmer verweilen konnte, während der Pole seine Feierabendstunden in dem unbeheizbaren Raum verbringen musste, oder aber sofort ins Bett musste.[10] Dass Bahde gegenüber den ausländischen Zwangsarbeitern nicht besonders zimperlich war, versuchte er durch ein Beispiel zu belegen, wonach er gegenüber einem „faulen“ und „ungewaschenen“ Polen „recht energisch wurde und ihm eine kräftige Ohrfeige erteilte„.[11] Bahde wies zudem darauf hin, dass das Verfahren vor allem auf Bestreben des Ortsgruppenleiters Lührs aus einer persönlichen Abneigung ihm gegenüber heraus in Gang gesetzt wurde und merkte abschließend an: „Ich selbst nehme an, dass ich während meiner Parteizugehörigkeit von der Kampf- bis in die jüngste Zeit meine Pflicht vollauf getan habe und zudessen meine ganze Kraft durch ehrenamtliche Tätigkeit der Allgemeinheit zur Verfügung stellte.[12]

Während der Sitzung des Gaugerichtes der NSDAP am 31. Juli 1941 nahm Willi Bahde auf Vorschlag des Parteigerichts seine Eingabe zurück, wobei ihm in Aussicht gestellt wurde, in ein bis zwei Monaten einen Antrag auf Wideraufnahme in die Partei zu stellen. Eine Zusammenarbeit mit dem NSDAP-Ortsgruppenleiter war jedoch nicht mehr möglich. Am 3. September 1941 stellte Lührs dem Bauern Willi Bahde „auf seinen Antrag“ eine Entlassungsurkunde anlässlich der Amtsniederlegung als Bürgermeister der Gemeinde Friedrichsgabe aus.[13] Als neuer Bürgermeister wurde Karl Lührs eingesetzt.[14]

Veröffentlicht von Jörg Penning am

Ein Hinweis zu “Die Entlassung des Bürgermeisters Willi Bahde 1941”

  1. Marlies Dörries sagt:

    Willi Bahde war mein Großvater mütterlicherseits. Er ist 1942 bei einen Bombenangriff als er in einem Hamburger Krankenhaus lag um Leben gekommen. Er hinterließ seine Frau Henni Bahde, geb. Mecklenburg und vier Kinder.
    Gerda Martens, geb. Bahde, Willi Bahde, Magda Buck, geb. Bahde und Peter Bahde.
    Meine Mutter Gerda Martens, Ehefrau des in Norderstedt bekannten , im Jahre 2009 verstorbenen Tischlermeisters Harry Martens, ist das einzige Kind von Willi Bahde das noch lebt. Sie ist heute 84 Jahre und gesund und munter. Peter Bahde wurde von seinem Großvater als Haupterbe eingesetzt, er ist im Jahre 2013 verstorben.Von den 34 ha Land ist leider nichts mehr im Besitz der Familie. Willi Bahde hat in Quickborn den Eichenhof erworben, er ist im Jahre 2012 verstorben. Magda Buck ist ebenfalls im Jahre 2012 verstorben.

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