An der Marktstraße in Quickborn befand sich eine Nebenstelle des Arbeitsamtes Elmshorn. Sie war die Anlaufstelle der Arbeitssuchenden aus der Landgemeinde und der näheren Umgebung.
In der ersten Hälfte der 1920er Jahre sahen die wirtschaftlichen Verhältnisse in Quickborn noch günstig aus. Zwar war mit der Einstellung der Kriegsproduktion in den Munitions- und Sprengstoffwerken in Quickborn-Heide der Arbeitskräftebedarf drastisch gesunken, jedoch handelte es sich bei den dort Beschäftigten vorwiegend um auswärtige Arbeiterinnen aus Hamburg und Altona. Die lokale Erwerbslosigkeit blieb gering. In dem Jahr von August 1919 bis August 1920 kamen in Quickborn auf 251 Stellengesuche 324 offene Stellen.[1] Im April 1922 registrierte das Quickborner Arbeitsamt keinen einzigen Erwerbslosen[2] und im Zeitraum von April bis August 1925 wurden in Quickborn lediglich drei Arbeitslose gezählt.[3] Der Arbeitskräftemangel machte sich vor allem in der Landwirtschaft bemerkbar, da die Quickborner Fabriken und das Torfwerk höhere Löhne zahlten und dadurch einen Großteil des Arbeitskräftepotenzials anzogen.[4]
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre begann die Erwerbslosigkeit parallel zur Schließung der Industrien anzusteigen: Waren im März 1928 130 Quickborner erwerbslos,[5], so kam es im darauf folgenden Jahr mit 255 Arbeitslosen fast zu einer Verdoppelung der Arbeitslosenzahlen.[6] Hierfür dürfte die Schließung der Margarinenfabrik am Elsensee hauptverantwortlich sein. Nach den Angaben des Gemeindevorstehers sollen im Winter 1928/29 bereits die Hälfte der Einwohner auf die Leistungen der Erwerbslosenunterstützung angeweisen gewesen sein.[7] Massenarbeitslosigkeit war damit in der Landgemeinde Quickborn schon vor dem Einsetzen der Weltwirtschaftskrise ein bekanntes Phänomen. Der höchste bekannte Arbeitslosenstand wurde im März 1932 mit 637 Erwerbslosen registriert.[8]
Eine genaue Aufschlüsselung der Erwerbslosigkeit ist für den Monat März 1931 vorhanden: Von den 333 Erwerbslosen aus Quickborn bezogen 41 Prozent Erwerbslosenunterstützung, 28 Prozent Krisenunterstützung und 31 Prozent Wohlfahrtsunterstützung.[9] Unter den Erwerbslosen waren 108 Personen ledig und 225 verheiratet. Die verheirateten Erwerbslosen hatten 334 Kinder mitzuversorgen. Differenziert nach Erwerbsbranchen waren unter den Arbeitslosen 2 Prozent Hausangestellte, 3 Prozent Tischler und Stellmacher, 5 Prozent Zimmerer, 8 Prozent Maurer, 10 Prozent Schlosser und verwandte Berufe, 56 Prozent Arbeiter und 17 Prozent aus sonstigen Berufsgruppen vorhanden. 43 Prozent der Erwerbslosen waren alteingesessene Quickborner und 57 Prozent Zugezogene. Von den Letzteren kamen 44 Prozent aus Hamburg, 10 Prozent aus Altona und 46 Prozent aus verschiedenen anderen Städten und Gemeinden.[10]
Die soziale Notlage der Bevölkerung ließ sich auch anhand der Anzahl der Wohlfahrtserwerbslosen erkennen. Im Januar 1931 gab es in der Landgemeinde Quickborn 85 Wohlfahrtserwerbslose.[11] Ein halbes Jahr später waren es bereits 121[12] und im November 1931 stieg die Anzahl auf über 200 Personen an.[13] Im Mai 1932 hatte die Gemeinde Quickborn 292 Wohlfahrtserwerbslose zu versorgen.[14] Zu diesem Zeitpunkt gehörte die Hälfte der Erwerbslosen zu den Wohlfahrtsempfängern, die mindestens 16 Monate ohne Arbeitsanstellung blieben.[15] Eine räumlicher Ballung von Arbeitslosigkeit war auf dem Areal der ehemaligen Norddeutschen Sprengstoffwerke in Quickborn-Heide vorzufinden. Von den dort ca. 125 wohnenden Personen waren fast alle erwerbslos und von der Wohlfahrtsfürsorge abhängig.[16]
Die Zunahme der Langzeitarbeitslosenzahlen führte zu einer Reduzierung der kommunalen Wohlfahrtsfürsorge. Ab Sommer 1931 sollte in Quickborn ein verheirateter Wohlfahrtsunterstützungsempfänger mit mindestens vier Kindern, der bisher mindestens 29 RM wöchentlich erhielt, zukünftig nur noch 20 RM ausgezahlt bekommen und hierfür seine Kosten für Miete, Licht, Feuerung, Kleidung, Schulutensielien usw. decken. Ledige Erwachsene, die zur Miete wohnten, sollten wöchentlich 5 RM erhalten und Langzeitarbeitslose, die noch im Haushalt der Eltern lebten, gänzlich auf die Wohlfahrtsunterstützung verzichten und von den Familienangehörigen mitversorgt werden.[17] Da die finanzielle Unterstützung sehr gering blieb, bot die Gemeinde zusätzliche Hilfen an. So verteilte sie ab Sommer 1932 mit der Unterstützungsauszahlung für jeden ledigen Wohlfahrtserwerbslosen einen und für jeden verheirateten Langzeitarbeitslosen zwei Gutscheine für je ein Brot.[18] Eine weitere Unterstützung gab es für Betroffene durch die Winterbeihilfe, die 1929 für jeden ausgesteuerten Erwerbslosen einen einmaligen Betrag von 15 RM vorsah und für jedes Familienmitglied zusätzlich 5 RM.[19] Für die Wohlfahrtserwerbslosen wurden zudem sogenannte Notstandsarbeiten eingerichtet: Im Wege- und Straßenbau und in der Torfindustrie konnten sich die Arbeitslosen zu ihren Unterstützungsauszahlungen etwas hinzuverdienen.[20] Des Weiteren bot die Gemeinde 1932 den Erwerbslosen an, ihren Bedarf an Heizmaterial für den Winter nahezu kostenlos aus dem Himmelmoor zu decken.[21]
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollte die Arbeitslosigkeit durch die Kultivierung von Ödländereien eingedämmt werden, die gerade in Quickborn mit den großen Moorflächen reichlich vorhanden waren. Geplant war die Kultivierung einer Fläche von 175 ha des Himmelmoors, 510 ha des Holmoors[22] sowie 150 ha des Kampmoors.[23] Dieses Beschäftigungsprogramm war eingebunden in das reichsweite Ziel, die landwirtschaftliche Produktion zu intensivieren, um Deutschland von Nahrungsmittelimporten unabhängig zu machen.[24] Das Bemühen der Gemeinde, neue Industriebetriebe in Quickborn anzusiedeln, gelang hingegen nicht.
Inwiefern die Maßnahmen der Nationalsozialisten zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit in Quickborn erfolgreich waren, lässt sich nicht eindeutig nachweisen. Lokale Arbeitslosenstatistiken wurden in der Heimatpresse nach 1933 nicht mehr angegeben. Die soziale Situation schien sich vermutlich nicht umfassend verändert zu haben. Ein Hinweis hierauf ist in der Schulchronik zu finden, in der der Schulleiter sich in seiner Eintragung für das Jahr 1937/38 über die schrumpfende Schülerzahlen beklagte, die er der Abwanderung von sozial benachteiligten Eltern aus dem Ort zuschrieb.[25]