Zeugenaussagen über den Fackelumzug am 20. April 1933 in Friedrichsgabe

Veröffentlicht von Jörg Penning am

Willi Bornkast äußerte 1947 gegenüber der Polizei:
Ich kann gegen Karl Lührs aussagen, dass er, soweit ich ihn kenne, ein brutaler und gewalttätiger Mensch ist. Er hat mir und meiner Familie sehr viel angetan und geschädigt. Als die Nazis die Macht hatten, wurde mir am 20. April 1933 bei einem Fackelzug, durch Lührs und seine Nazis, mein Haus demoliert und die Fensterscheiben eingeworfen. Dadurch auch Möbel beschädigt sowie viele andere Gegenstände als Kleider und Wäsche.[1]

 

Gerichtliche Vernehmung von Otto Schulz am 25.09.1947:
Anlässlich des Fackelzugs am 20. April 1933 der auch an meinem Hause vorbeiführte, sah ich, wie Ortsgruppenleiter Luers, der an der Spitze der Fackelträger marschierte, mit einer Fackel in Richtung auf das Haus von Klute zeigte. Daraufhin konnte ich beobachten, wie eine Kolonne von 20 – 30 Mann, die hinter den Fackelträgern marschierte, an ihrer Spitze Nehls, mit Steinen gegen das Haus von Klute warfen. Die Steine hatten sie schon bei sich.[2]

 

Aussage des ehemaligen NSDAP-Ortsgruppenleiters Karl Lührs am 29.12.1947 vor der Polizei:
Am 20.4.1933 sind auf einigen Stellen in Friedrichsgabe bei einem Umzug Fensterscheiben eingeworfen worden. Ich persönlich hasse derartige Handlungen und habe selbiges auch auf einer Versammlung bemängelt. Ich lehne es ab, dazu angestiftet zu haben. Es wäre mir auch gar nicht möglich gewesen, weil ich an der Spitze des sehr langen Zuges gegangen bin und die SS den Schluß bildete. Der Zug war etwa 300 – 400 Mann stark, die Teilnehmer gingen in Dreiherreihe. Es wäre mir daher unmöglich gewesen, auf derartige Handlungen einzuwirken.[3]

 

Der ehemalige SS-Oberscharführer Johannes Neels in einer polizeilichen Vernehmung am 25.04.1948:
Am 20.4.1933 nahm ich an einem Fackelzug durch die Gemeinde Freidrichsgabe teil und zwar beim allgemeinen SS Sturm 4 Bönningstedt als gewöhnlicher SS Mann. Der Führer dieses Sturmes war der Sturmführer Willi Franz aus Bönningstedt. Der SS Sturm war etwa 50 Mann stark. Mir ist nicht bekannt, daß sogenannte Werferkommandos eingeteilt wurden. Ich habe auch nicht gesehen, daß aus unserem Sturm irgend jemand Steine oder sonstige Gegenstände gegen Häuser geworfen hat und bestreite auch ganz entschieden, selbst mit derartigen Gegenständen nach Fenstern oder Häusern geworfen zu haben. Wenn dieses vorgeworfen wird, so muß ich sagen, daß hier nur ein persönlicher Haß von damaligen politischen Gegnern vorliegen kann.[4]

 

Der Ehemalige NSDAP-Ortsgruppenleiter Lührs in einer polizeilichen Vernehmung am 24.05.1948:
Es ist richtig, daß bei dem Fackelzug am 20.4.1933, an dem auch die allgemeine SS beteiligt war, bei mehreren politischen Gegnern in Friedrichsgabe die Fensterscheiben eingeworfen worden sind. Ich bestreite ganz entschieden mich bei dieser Aktion irgendwie beteiligt zu haben. Die Führung des Zuges hatte ich und marschierte daher an der Spitze des Fackelzuges, hatte aber selbst keine Fackel und auch sonst keinen Gegenstand in der Hand. Der Zug selbst war 200 – 300 m lang.
Frage [des Polizisten, d. Verf.]: Sie sollen doch mit der Fackel nach jedem Haus, in dem ein politischer Gegner wohnte, gezeigt haben, damit die ortsunkundigen SS Leute bei den politischen Gegnern die Fensterscheiben einwerfen konnten. Oder wie erklären sie sich das, daß ein Ortsfremder gerade die politischen Gegner getroffen hat.
Antwort: Zwischen den SS Leuten befanden sich einige Ortsansässige und im übrigen war es mir auch nicht möglich auf den Schluß des Zuges durch Zeichen einzuwirken. Ich erfuhr überhaupt erst kurz vor Auflösung des Zuges von dem Fensterscheibeneinwerfen durch einen Teilnehmer des [unleserlich]. In der nächsten Parteiversammlung habe ich das Fensterscheibeneinschmeißen gerügt und darauf aufmerksam gemacht, daß so etwas in Zukunft zu unterbleiben hat. Ich bestreite nochmals ganz entschieden, daß ich irgendwie auf das Einwerfen der Fensterscheiben eingewirkt habe.[5]

 

Polizeiliche Aussage des ehemaligen Gemeindevorstehers Helmut Klute am 23.07.1948:
Bei dem Fackelzug am 20. April wurden durch die Steinwürfe gegen mein Haus an den beiden vorderen Zimmerfenstern und an dem Verandafenster eine größere Anzahl Scheiben und auch eine oder zwei Sprossen zertrümmert, ferner wurden die Gardinen zerfetzt. (…) Daran das Lührs auch in diesem Falle der eigentliche Täter gewesen ist, kann kein Zweifel stehen. Hacke und Kistenmacher z.B. wohnten abseits der Hauptwege des Dorfes. Lührs, der den Zug voranging, hat diesen der geplanten Aktion wegen die Seitenwege entlang geführt.[6]

 

Aussage von Helmut Klute in der Spruchgerichtsverhandlung gegen den ehemaligen NSDAP-Ortsgruppenleiter Lührs am 12.08.1948:
Ich glaube auch nicht, daß sich die Steinwürfe nur auf die Fensterscheiben beziehen sollten. Es waren große Pflastersteine, die weit in das Zimmer flogen. Ich habe die Steine noch aufbewahrt.[7]

 

Aussage von Otto Schulz in der Spruchgerichtsverhandlung am 12.08.1948 gegen Lührs:
Den in dieser Verhandlung geschilderten Fackelumzug habe ich erlebt. Ich habe gesehen, daß der Angeklagte [Lührs, d. Verf.] vor dem Zuge marschierte und eine Fackel trug, mit der er auf das Haus von Klute zeigte. Ich habe das so aufgefaßt, daß es ein Zeichen sein sollte, daß dort die Fenster einzuwerfen seien.[8]

 

Frau Elenore Klute, Ehefrau des ehemaligen Bürgermeisters Helmut Klute, schrieb dem Gericht am 22.08.1948:
Am Abend des Fackelzuges am 20. April 1933 stand ich am Fenster meines Hauses im ersten Stock. Lührs marschierte mit einer Fackel in der Hand an der Spitze des Zuges, der eine Länge von etwa 90 bis 100 Meter hatte. Ich sah, dass Lührs mehrere Male zur Seite ging und nach rückwärts blickte. Bald darauf prasselten die Steine in unsere Fenster.“[9]

 

Die Ehefrau des damaligen SPD-Vorsitzenden Willi Dörner, Maria Dörner, merkte schriftlich in einem Schreiben vom 27.08.1948 an:
Ich Frau Marie Dörner bestätige hiermit, daß mir am 20 April 1933 durch einen Fackelzug deren Anführer der ehemalige Ortsgruppenleiter Karl Lührs war die Scheiben eingeworfen wurden. Da mein Mann S.P.D. Vorsitzender von Friedrichsgabe war, nahm ich an, daß es sich um einen Racheakt handelt. Ich habe mit eigenen Augen gesehen das Karl Lührs von der Spitze des Fackelzuges marschierte und nicht wie er behauptet hat sich schützend vor unser Haus gestellt hatte. Ferner sorgte Lührs dafür, daß mein Mann im Jahre 1943 zur Wehrmacht eingezogen wurde.“[10]

 

Ein Hinweis zu “Zeugenaussagen über den Fackelumzug am 20. April 1933 in Friedrichsgabe”

  1. Sylvia Jensen sagt:

    Marie Dörner war meine Oma, sie hat von dem Angriff erzählt. Mein Opa, Willi Dörner, ist aus dem Krieg nicht nach Hause gekommen. Er gilt bis heute verschollen
    Dafür ist der nazi Karl Lührs mit über 90 Jahren verstorben, die Welt ist nicht gerecht.

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