Übergabe der Informationstafel „Erinnern für die Zukunft“ an die Öffentlichkeit
Elmshorn. Am diesjährigen Weltflüchtlings- und Migrationstag, dem 20. Juni, wird die Informationstafel „Erinnern für die Zukunft“ um 14.00 Uhr am Eingang der St- Nikolai-Kirche auf dem Alten Markt der Öffentlichkeit übergeben. Neben den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine für Elmshorn, werden der Stadtrat Herr Moritz, die Leiterin der Koordinierungsstelle Migration Allegra Tekleab, sowie Herr Seiler, Sponsor und Vorstandsmitglied der Sparkasse Elmshorn, anwesend sein. Die Veranstalterinnen und Veranstalter würden sich sehr freuen, wenn Sie durch Ihre Anwesenheit ein Zeichen gegen Diskriminierung und Rassismus setzen.
Der diesjährige Weltflüchtlings- und Migrationstag, der sich zum 100. Male jährt, steht unter dem Motto „Jeder Flüchtling hat eine eigene Geschichte“. Der hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) schreibt in seiner offiziellen Stellungnahme: „Wenn UNHCR wie jedes Jahr am 20. Juni 2014 die aktuellen Flüchtlingszahlen veröffentlicht, sind wieder traurige Negativrekorde zu erwarten. Durch Krieg und Gewalt in Syrien, Zentralafrika und anderswo wird wieder von Höchstständen bei Binnenvertriebenen, Flüchtlingen und Asylsuchenden zu berichten sein. Doch in der Debatte um Zahlen und Kontingente werden häufig die Menschen hinter den Zahlen und ihre persönlichen Geschichten vergessen.“
Weltweit sind weit über 40 Millionen Menschen auf der Flucht – manche sind Flüchtlinge, andere suchen Asyl oder sind durch Konflikte in ihrem eigenen Land vertrieben worden. Doch jeder hat eine eigene Geschichte; Geschichten von Gewalt und Verlust, aber auch von Mut und Hoffnung. Das sind 40 Millionen Geschichten, die es sich zu erzählen lohnt, denn jede ist einzigartig.
„Jeder Flüchtling hat eine Geschichte. Erzählen Sie sie weiter!“. Zum Weltflüchtlingstag 2014 startet UNHCR deshalb eine Kampagne, die die Erlebnisse von Flüchtlingen in den Mittelpunkt rückt. „Zusammen mit prominenten Unterstützern, wie unter anderen Diane Kruger, wollen wir bis zum 20. Juni die Geschichten von Flüchtlingen erzählen und so die ganz individuellen Schicksale, die sich hinter den Berichten in den Abendnachrichten verbergen, beleuchten.“
Unter dem Motto „Erinnern für die Zukunft“ informiert die ehemalige Informationstafel „Aktion Noteingang“ jetzt über die „Aktion Stolpersteine für Elmshorn“. Auf einem Stadtplan sind die 25 Orte der kleinen Messingtafeln, wie sie in den Gehwegen der Stadt seit 2007 von dem Künstler Gunter Demnig zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine und ihren Paten verlegt wurden, zu finden. Ebenso beinhaltet die Tafel Kurzbiographien der Menschen, die in Elmshorn in der Zeit zwischen 1933 und 1945 von den Nazis verfolgt, deportiert, ermordet wurden oder sich selbst das Leben genommen haben. Es sind politisch Verfolgte, wie der ehemalige Reichstagsabgeordnete der KPD, Reinhold Jürgensen, der als erstes Opfer im KZ-Fuhlsbüttel übelst gefoltert und von der SS erschlagen wurde. Oder der Arbeitersportler Max Maack, ein Sohn des Mitbegründers des heute noch existierenden AC Einigkeit, der sich im Elmshorner Polizeigefängnis das Leben nahm. Es sind die Opfer der jüdischen Gemeinde, wie Hans Daniel und Adele Elsa Stoppelmann, die noch 1938 nach der Pogromnacht nach Holland flohen, dort aber nach der Besetzung durch Nazideutschland nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort vergast wurden. Dabei sind die Biographien der Zeugen Jehovas, wie Max Andreas Hahn; Euthanasieopfer, wie Heinrich Sibbert, oder Zwangsarbeiter, wie Stanislaus Pade. Die Opfer waren Arbeiter, Handwerker, Händler und Fabrikbesitzer. Hier wurde die Ideologie der „Volksgemeinschaft“ Realität, die von den Nazis gezogene Schneise der Vernichtung zog sich quer durch die sozialen Schichten.
Mit großer Teilnahme gerade auch jüngerer Menschen finden die Verlegungen zusammen mit dem Künstler statt. Patenschaften übernehmen Organisationen, Parteien, Gewerkschaften und Einzelpersonen, Schülerinnen und Schüler. Denn „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, sagt Günter Demnig. Die Stolpersteine sind ein „sich ausbreitendes Kunstwerk im öffentlichen Raum, das ohne die Initiative von Menschen nicht wachsen und geschützt werden kann.“
Zum „Erinnern für die Zukunft“ gehört die örtliche Geschichte des Widerstandes unter dem Naziterror sowie die Kenntnis über die Selbstbefreiung der Stadt Ende April/Anfang Mai 1945. Angeführt von dem mutigen Sozialdemokraten Erich Arp und dem kommunistischen Gastwirt Arthur Geisler. In dieser Chronik des Widerstandes sind auch die Vorgänge um die Jahrtausendwende aufgelistet. So informiert die Tafel über den erstmaligen Aufmarsch von Nazis nach 1945, dem 22. April 1999. Das damalige Elmshorner Bündnis wehrte sich unter dem Aufruf „Keine Toleranz für Neonazis – für ein solidarisches Miteinander statt rassistischer Ausgrenzung“ letztlich erfolgreich gegen fünf Aufmärsche der Rechtsextremen unter großer Beteiligung der Einwohnerschaft. Gegen die damaligen Anfeindungen mussten sich insbesondere der IG Metall Gewerkschafter Uwe Zabel und Bürgermeisterin Brigitte Fronzek zur Wehr setzen. Von Ihr stammt gegen den Vorwurf, das Bündnis hätte mit seiner Plakataktion die Neonazis nach Elmshorn gelockt, die mutige Antwort: „Wir haben die Neonazis erst sichtbar gemacht. Dafür waren die Plakate richtig und wichtig.“ Heute wehren sich unter dem Aufruf „Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen“, der in Elmshorn seinen Ausgang nahm, viele Städte und Gemeinden gegen neonazistische Aufmärsche. Die Einrichtung einer ehrenamtlichen Stelle für Integrationsbeauftragte bei der Stadt war eine folgerichtige Entscheidung auf Initiative der SPD.
Das Engagement der Zivilgesellschaft wurde in Elmshorn durch die Aktion Noteingang weitergeführt: „Wir brauchen Noteingänge! Gewalt im öffentlichen Raum ist keine Seltenheit. Bündnispartner aus der Mitte der Gesellschaft werden benötigt“. So der damalige Stadtrat Volker Lützen bei der Auftaktveranstaltung am 09. November 2001 in der Nikolai-Kirche. Auf Initiative des Elmshorner Bündnisses gegen Neonazis hatten sich eine Vielzahl öffentlicher und privater Einrichtungen, Geschäfte, Vereine, Gewerkschaften, Verbände, Kirchen, Schulen, Jugendhäuser und Gaststätten zusammengefunden, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Die Aktion Noteingang ist eine antirassistische Initiative, die darauf zielt, auf Rassismus hinzuweisen und Solidarität einzufordern. Dazu werden Geschäfte, Lokale und Institutionen angesprochen mit dem Aufkleber der Aktion im Eingangsbereich deutlich zu machen, dass das Personal rassistische Verhaltensweisen nicht duldet und gegebenenfalls potentielle Opfer schützen wird. Am 08. Juni 2002 wurde dann mitten in der Innenstadt ein sogenanntes „Denk“-Mal in Form eines großen Stadtplanes vor der Nikolai-Kirche eingeweiht und auf die Unterstützer hingewiesen. Mehr als 40 Aufkleber kennzeichnen die Knotenpunkte dieses Netzwerkes im Stadtgebiet. Die Holzarbeiten für den Stadtplan wurden von Schülern und Schülerinnen der Raboisenschule und ihrem Lehrer ausgeführt. Dies soll helfen, dass Menschen in Respekt für eine Kultur gegenseitiger Anerkennung eintreten. Die Integrationsbeauftragten Riza Yourt und Rudi Arendt unterstützten die Aktion Noteingang mit den Worten: „Die Voraussetzung für Integration ist ein gesellschaftliches Klima, indem Ausländerfeindlichkeit und Rassismus keinen Platz haben.“
Die Tafel stand zehn Jahre an diesem Ort und setzte ein Zeichen gegen Neofaschismus und Rassismus. Das es jetzt zu einer Neugestaltung auch inhaltlicher Art kam, ist einerseits auf den technischen Zustand, die Aufkleber waren stark verblichen, zurückzuführen. Zudem wurde die Tafel bei Veranstaltungen, wie dem Weihnachtsmarktevent, zugestellt und die Diskussion nach einem anderen Standort entwickelte sich. Das Angebot von Bürgermeisterin Brigitte Fronzek eine inhaltliche Neuorientierung durch eine Dokumentation der Aktion Stolpersteine auf dieser Tafel zu erarbeiten nahmen Teilnehmer unserer Arbeitsgemeinschaft dankend an. In gut zweijähriger Arbeit wurde das Konzept „Erinnern für die Zukunft“ entwickelt und umgesetzt. Mit dabei waren auch die Leiterin des Industriemuseums Bärbel Böhnke, sowie Allegra Tekleab, die Leiterin der Koordinierungsstelle Migration der Stadt Elmshorn.
Mit der Aufstellung der Tafel an ihrer alten Stelle wurde eine vorläufige Klärung des Standortes herbeigeführt. So kann diese jetzt in ihre bestehenden Fundamente eingesetzt werden. Sie wird dann mit den Bänken aus Gründen des Weihnachtsmarktevents dort vorübergehend abgebaut, beim Bauhof deponiert und von der Arbeitsgemeinschaft gewartet. Anfang des Jahres erfolgt eine Neuaufstellung, möglicherweise auch an einem anderen Standort. Es wäre gut, wenn diese Tafel an einem Ort steht, wo sie von möglichst vielen Elmshorner BürgerInnen gesehen und in Ruhe betrachtet werden kann. Ein Standort bei der Kirche in der Nähe der Tafel über die Selbstbefreiung Elmshorns ist nach wie vor eine gute Kombination zum Hinweis auf historische Ereignisse.
Es ist ein besonderes, in diesem Falle auch interkulturelles Kapital dieser Stadt, das sich hier Menschen durch zivilgesellschaftliches Engagement der Geschichte dieses Ortes stellen, und diese für und mit der jüngeren Generation erfahrbar machen. Die Aktion Stolpersteine unter Teilnahme der Bevölkerung, die Aktion Noteingang mit ihren vielen Bündnispartnern, die interaktive Internetseite des Fördervereins Spurensuche, und insbesondere die Ausrichtung des Gedenktages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz mit etlichen Elmshorner Schulen dokumentieren dieses. Das der landesweite Gedenktag zum 27. Januar im Jahre 2015 in Elmshorn ausgerichtet wird hat seine Gründe in diesem Engagement. Ein besonderer Dank gilt daher der Stadt Elmshorn und der Sparkasse Elmshorn bei der Unterstützung und der Erstellung dieser Tafel. Dieses gilt ebenso für die besonders gelungene grafische Gestaltung durch Peter Kruse als auch die mit Engagement durchgeführte technische Umsetzung durch die Firma Alpha Druck + Werbung und Hans- Michael Nikolai.
12.06.2014 Rudi Arendt für die Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine für Elmshorn und den Förderverein Gegen das Vergessen – Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung 1939 – 1945 e.V.