August Landmesser – Opfer des Nationalsozialismus

August Landmesser (unbekannt/Irene Eckler: Die Vormundschaftakte, Schwetzingen 1996)
August Landmesser (unbekannt/Irene Eckler: Die Vormundschaftakte, Schwetzingen 1996)
Irma Eckler (unbekannt/Irene Eckler: Die Vormundschaftakte, Schwetzingen 1996)
Irma Eckler (unbekannt/Irene Eckler: Die Vormundschaftakte, Schwetzingen 1996)
Werftarbeiter bei Blohm+Voss Stapellauf der Horst Wessel 13.06.1936(unbekannt/Süddeutsche Zeitung)
Werftarbeiter bei Blohm+Voss Stapellauf der Horst Wessel 13.06.1936(unbekannt/Süddeutsche Zeitung)
August Landmesser beim Blohm+Voss Stapellauf der Horst Wessel 13.06.1936 (unbekannt/Süddeutsche Zeitung)
August Landmesser beim Blohm+Voss Stapellauf der Horst Wessel 13.06.1936 (unbekannt/Süddeutsche Zeitung)
August Landmesser Juni 1938 mit Irma Eckler und Kindern (unbekannt/Irene Eckler: Die Vormundschaftakte, Schwetzingen 1996)
August Landmesser Juni 1938 mit Irma Eckler und Kindern (unbekannt/Irene Eckler: Die Vormundschaftakte, Schwetzingen 1996)
August Landmesser 1935 (unbekannt/Irene Eckler: Die Vormundschaftakte, Schwetzingen 1996)
August Landmesser 1935 (unbekannt/Irene Eckler: Die Vormundschaftakte, Schwetzingen 1996)
17. Oktober 1944
Stavenowstraße 10, Uetersen

August (Friedrich) Landmesser wurde als Einzelkind am 24. Mai 1910 in Heidrege/Moorrege geboren. Er heiratete in erster Ehe Wunibalda Grundmann, geboren 29.05.1907, die Tochter des Uetersener Polizisten Grundmann. Eine gemeinsame Tochter Ingeborg wurde 1929 geboren. 1930 zog Wunibalda mit dem Kind in die elterliche Wohnung in der Stavenowstraße 10 in Uetersen. Auf Grund seiner Arbeitslosigkeit trat August Landmesser 1931 der NSDAP bei, um so seine Chance auf eine Arbeit zu verbessern, vom 06.09.1932 bis 31.10.1934 war auch er offiziell in der Stavenowstraße 10 gemeldet (die drei benachbarten Wohnhäuser dort gehörten als Arbeiterwohnhäuser zur Feldmühle Papierfabrik). Wann es zur Trennung kam, und ob der Grund die schwere Halbseitenlähmung von Wunibalda  war, ist nicht bekannt. Am 1.11.1934  verzog August Landmesser nach Hamburg. 1935 trat August Landmesser aus der NSDAP aus. Am 21.04.1935 verlobte er sich dort mit Irma Eckler, geboren 12.06.1913, einer 1931 evangelisch getauften Jüdin. Eine Heirat wurde durch den vorauseilenden Gehorsam der Hamburger Standesämter verhindert, in dem das Aufgebot im August, also bereits einen Monat vor Inkrafttreten der „Nürnberger Rassegesetze“  am 15.09.1935 (offiziell „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“),  abgelehnt wurde. Die gemeinsame Tochter Ingrid wurde daher am 29.10.1935 außerehelich geboren.
Juni 1936 entstand das bekannte Foto beim Stapellauf des Segelschulschiffs „Horst Wessel“ der Hamburger Werft Blohm und Voss, auf dem ein Werftarbeiter demonstrativ die Arme verschränkte und den Hitlergruß verweigerte. Die Töchter Landmessers meinen, in dem Arbeiter  ihren Vater August Landmesser zu erkennen. Ebenso meint aber auch  Wolfgang Wegert seinen Vater Gustav Wegert in dem Bild wiedererkannt zu haben. Wer der Abgebildete nun wirklich war, wird sich nicht 100-prozentig beweisen lassen, beide waren  auf jeden Fall couragierte Gegner des Regimes und hatten den in dieser Zeit seltenen Mut, dieses auch öffentlich zu zeigen.
Am 12. Juni 1937 trat ein Geheimerlass in Kraft, der „Rassenschande“, also das Verhältnis zwischen Ariern und Juden, unter Strafe stellte. Juli 1937 wurde daher ein Verfahren wegen „Rassenschande“ eingeleitet gegen August Landmesser, da Irma das zweite gemeinsame Kind erwartete. Ende Juli 1937 versuchte er heimlich nach Dänemark zu gelangen, Irma Eckler mit Kind/Kindern wollte er nachholen. Er wurde jedoch am 3. August  1937 verhaftet und  am 15. September in die Untersuchungshaft ins Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel überführt. Die gemeinsame Tochter Irene kam am 6. August 1937 zur Welt. Aus der Haft heraus heraus stellte er einen Antrag auf Umwandlung der Haft auf Bewährung sowie in Berlin einen auf eine „Heiratserlaubnis mit einer Jüdin“, beides wurde verwehrt. Am 27. Mai 1938 wurde er Mangels an Beweisen vor dem Landgericht freigesprochen. Die Beziehung zu seiner Verlobten und den gemeinsamen Kindern nahm er trotz ausdrücklichen Verbots wieder auf. Am 15. Juli 1938 wurde er erneut verhaftet und am 26. Oktober 1938 wegen Rassenschande zu 2 ½ Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde in das Strafgefangenenlager Börgermoor I im Emsland eingewiesen.  Nach seiner Haftentlassung am 19. Januar 1941 zog er nach Rostock und war als Vorarbeiter in der Warnemünder Filiale bei den Heinkelwerken vom Transportunternehmen Püst tätig. Bei beruflichen Fahrten nach Hamburg versuchte er nach März 1943 mehrfach heimlich in Uetersen in Begleitung einer russischen Zwangsarbeiterin seine Tochter Ingeborg zu kontaktieren, was aber von seiner ehemaligen Schwiegermutter  versucht wurde zu verhindern. Es gelang ihm aber mehrfach Kontakt mit Ingrid und Ingeborg zu haben. Im Februar 1944 wurde er einberufen in das Bewährungsbataillon XIX/999 zur 3.Kompanie in Dalmatien/Jugoslawien, nach Mai 1944 eingesetzt auf  der Halbinsel Pelješac. Das Bataillon wurde September 1944 vernichtet, er selbst kam bei Absetzbewegungen über die Landverbindung bei der Stadt Don am 17. Oktober 1944 ums Leben („vermisst“).

 

Wunibalda Grundmann wurde von ihrem Vater 28. Februar 1945 nach Schleswig gebracht (Landesheilanstalt Schleswig Stadtfeld?), wo sie nach nicht einmal 6 Wochen am 11. April 1945 verstarb. Ihre Tochter Ingeborg ging davon aus, dass sie zumindest indirekt ein Opfer der Euthanasie wurde.

 

Irma Eckler wurde drei Tage nach August Landmesser von der Gestapo verhaftet. Ihr Weg führte u.a. über das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel und das Untersuchungsgefängnis Hamburg-Stadt sowie das Konzentrationslager Oranienburg und das Frauenschutzhaft- und –konzentrationslager Lichtenburg ins Konzentrationslager Ravensbrück. Am 28. April 1942 ist sie in Bernburg in den Gaskammern ermordet worden. Die Ehe von August Landmesser und Irma Eckler wurde am 5. Oktober 1951 vom Standesamt Hamburg-Eimsbüttel rückwirkend für den 1. März 1935 für rechtswirksam erklärt.

Ihre Kinder Ingrid und Irene haben zunächst im Waisenhaus bzw. bei Irmas Mutter und später bei Pflegeeltern die Schrecken des Nationalsozialismus überlebt.

 

Quellen:

Irene Eckler: Die Vormundschaftakte, Schwetzingen 1996
Standesamtliche Mitteilungen
Persönliche Aussage Ingeborg F., geborene Landmesser
http://www.fasena.de/courage/, (Stand 20.01.2013), leider nicht mehr aufrufbar (Stand 28.03.2013)
http://wegert-familie.de/home/Deutsch.html, (Stand  09.06.2014)

 

Erstellt von Volker Sartorti

 

Veröffentlicht von Volker Sartorti am

Ein Hinweis zu “August Landmesser – Opfer des Nationalsozialismus”

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